Auch ohne Arme und Beine glücklich

Der Deutsche Janis McDavid kam mit einer schweren Behinderung auf die Welt. Er hat ­jedoch nicht resigniert und führt ein selbst­bestimmtes Leben, auf das er sehr stolz ist.

Früher mochte Janis McDavid sich selber nicht leiden und liess sich deswegen nie fotografieren. Der 24-Jährige aus Bochum (D) wurde ohne Arme und Beine geboren. Er ist heute einen Meter gross und 30 Kilo schwer. Mittlerweile hat er sich zu einem selbstbewussten Mann entwickelt.

Seine leiblichen Eltern gaben ihn als Baby weg, so wuchs er in einer Pflegefamilie auf. Diese Eltern haben stets darauf geachtet, dass er so viel wie möglich selbstständig erledigen konnte. «Sie haben mich nicht in Watte gepackt», sagt er. Sie schickten ihn auch nicht in eine Sonderschule, sondern in eine reguläre Waldorfschule, wo er sich ganz normal behaupten musste.

Janis McDavid verzichtet auf Prothesen, wie er der Zeitschrift «Stern» erzählte. «In der Pubertät dachte ich, sie würden mein Leben erleichtern. Die Sehnsucht, so wie die anderen zu sein, war damals am stärksten. Meine Freunde spielten Fussball, waren ständig unterwegs. Ich hatte Angst, zum Aussenseiter zu werden.» Doch das Leben mit Prothesen war ein Desaster. Das fing beim Anziehen an. «Ich konnte das nicht alleine, und die Balance zu halten, war unglaublich schwer.» Es mussten immer zwei Leute neben ihm stehen, sonst wäre er unkontrolliert auf den Boden gekracht. «Fast drei Jahre habe ich es probiert – Rehaklinik, Prothesentraining, Training zu Hause.» Er sei total erleichtert gewesen, als er «die Dinger» endlich wieder los war. Er besitzt heute grosse Routine im Gebrauch seiner Arm- und Beinstümpfe, ist mit dem Mund sehr geschickt.

Problematisch war die Zeit der Pubertät auch deshalb, weil Liebe und Sex zum Thema wurden und ihm bewusst wurde, dass er schwul ist. «Körperlich behindert, homosexuell und pubertär: Da kam vieles zusammen.» Männer lernt er in Discos oder im Internet kennen. Die Partnersuche empfindet er als kompliziert, Sex sei für ihn aber nicht schwierig. «Mit meinem kurzen rechten Arm kann ich auch streicheln», erzählt er. Die längste Beziehung dauerte bisher drei Monate. Derzeit ist er Single. «Ich bin da pragmatisch: Entweder es passiert, oder es passiert nicht.»

Heute studiert Janis McDavid Wirtschaftswissenschaften und gibt Motivationsseminare vor Firmenchefs. Klausuren schreibt er statt mit Computer mit einem Stift. «Ich klemme ihn mir zwischen die rechten Backenzähne. Ich bin mit dieser Technik fast genauso schnell wie meine Kommilitonen.»

Ein Segen für ihn ist, dass er Auto fahren kann. Er wollte mit 17 unabhängig werden von seinen Eltern. «Auch wenn ich Krach mit ihnen hatte. Bis dahin wäre ich mit meinem Elektrorollstuhl allenfalls bis an die Stadtgrenze gekommen, dann wären die Batterien leer gewesen», sagte er weiter im «Stern». Sein Wagen ist eine Spezialanfertigung. Damit kann er auch Freunde in Berlin besuchen. Sie helfen ihm bei den Dingen, die er nicht selber kann, wie beim Gang auf die Toilette und beim Duschen. Die Freunde unternehmen mit ihm auch grosse Reisen wie nach Thailand, Kambodscha und Vietnam.

Selbst wenn er bei einer Fee einen Wunsch frei hätte, würde er sie nicht um Arme und Beine bitten. «Ich wäre dann nicht mehr Janis McDavid. Mit Armen und Beinen wäre ich ein anderer. Es gibt nichts, das ich mir so sehr wünsche, dass ich dafür aufgeben würde, was ich mir erarbeitet habe. Ich bin glücklich genau so, wie ich bin!»



Buchtipp

Janis McDavid: «Dein bestes Leben – vom Mut, über sich hinauszuwachsen und Unmögliches möglich zu machen»,
Verlag Herder, Fr. 27.90.