Arbeitslos mit 50 – und alles verloren

Als sie plötzlich ohne Job dastand, fiel Almut Adler in ein tiefes Loch. Doch dann hatte sie die rettende Idee, und heute ist sie glücklich wie nie.

Auf meine Kündigung habe ich noch recht locker reagiert. Ich war mir sicher, schnell eine neue Arbeit zu finden», erinnert sich Almut Adler (66). Die Münchnerin ist Fotografin, hat auf eigene Faust die halbe Welt bereist, später als Grafikerin in einem angesehenen Verlag gearbeitet. Sie verdient gut, kann sich eine schöne Wohnung, ein Auto und regelmässige Reisen leisten. «Es ging mir einfach prima. Da denkt man nicht an den grossen Knall.»

Der kommt erst, als sich Almut engagiert bei anderen Verlagen bewirbt, aber nur Absagen bekommt. «Darauf war ich nicht vorbereitet», erzählt sie rückblickend. «Aber schnell wurde mir klar: Ich war mit über 50 einfach zu alt.»

Sie ist eine starke Frau, selbstbewusst, eigenständig. Sie weiss, dass sie ihre Arbeit gut macht. Doch die unerwartet erlebte Ablehnung setzt ihr zu. «Ich fühlte mich plötzlich aus dem Leben gekickt, ausrangiert und weggeschoben. Und mit jedem Tag Arbeitslosigkeit wuchs in mir die Angst vor der Zukunft.»

Aber Almut Adler ist nicht der Typ, der schnell aufgibt. Weil es mit den Bewerbungen so nicht klappt, sucht sie eben andere Wege. Sie spricht direkt Firmen an und fragt nach Jobs, lässt sich vom Arbeitsamt auf unbezahlte Probearbeiten vermitteln. Doch egal, was sie versucht, nichts klappt. Sie wird nur abgelehnt und ausgenutzt. Einen sicheren Arbeitsplatz bekommt sie nicht. Längst ist sie bereit, alle möglichen Jobs anzunehmen. Aber auch jetzt will sie niemand haben. «Es hiess, ich sei überqualifiziert. Niemand gab mir eine Chance.»

Nach Ablauf des Arbeitslosengeldes steht sie mit leeren Händen da. «Meine Ersparnisse waren aufgebraucht. Mir blieb nichts anderes übrig, als Arbeitslosenunterstützung Hartz IV zu beantragen.» Erst über einen Freund bekommt sie schliesslich die Chance, in einer Schraubenfirma anzufangen. Das zwar geringe, aber regelmässige Einkommen gibt ihr Ruhe und Zeit zur Neuorientierung. «Ich habe gespürt, wie man an der Not wächst. Ich wollte nicht aufgeben, mich nicht in mein Schicksal fügen. Ich wollte es schaffen, mir wieder ein für mich passendes Leben aufzubauen.»

Sie überlegt, was sie gut kann – fotografieren. Und sie kann gut erklären. Das hört sie immer wieder von Freunden. Das bringt sie auf die Idee, an den Wochenenden Fotokurse zu geben. Erst kommen nur zwei, drei Teilnehmer, aber schnell werden es immer mehr. Mit dem Erfolg kommt auch das Selbstbewusstsein zurück. Almut traut sich wieder etwas zu. Sie beginnt, leicht verständliche Fotografiebücher zu schreiben, speziell für Frauen, die mit der Technik häufig auf Kriegsfuss stehen. Ihr erstes Buch verkauft sich so gut, dass sie sich schliesslich selbständig machen kann, mit 56 Jahren.

Die Einnahmen spart sie jetzt eisern. Denn sie traut sich, wieder zu träumen. In Spanien wartet eine Ruine auf sie, die sie vor vielen Jahren von einem Freund übernommen hat. Dort möchte sie alt werden. «Andere hätten sich vielleicht ein Kleid gekauft, ich habe mir stattdessen Zement und Steine angeschafft», sagt Almut Adler und lacht.

In ihren Ferien fährt sie mit Freunden nach Andalusien und arbeitet dort an ihrem Traum. Sie schleppt Steine, sägt Holzbalken, jätet Unkraut, spachtelt und streicht. Nach und nach wird aus der Ruine ein Schmuckstück. Jetzt bietet sie dort Fotoworkshops an, auch mit Übernachtung. Die herrliche Natur, das andalusische Wetter und eine geduldige Gastgeberin locken Hobbyfotografen an. Mit denen geht sie über farbenprächtige Märkte, zeigt ihnen verlassene Orte, streift mit ihnen durch die herrliche Natur, erklärt die Technik und schult das Auge.

Mittlerweile lebt Almut überwiegend in Spanien (www.fotovisuelle.de). Von ihren Kunden wird sie oft gefragt, worauf sie am meisten stolz ist. Almut erzählt dann nicht von ihren tollen Fotos, mit denen sie viele Bildbände füllen könnte, sondern von ihrem Mut.

«Frauen über 50 haben es schwer bei uns. Aber ich habe mich nicht unterkriegen lassen. Ich habe mich wirklich aus dem Nichts wieder nach oben gekämpft und weiss jetzt, dass man auch in diesem Alter noch viel erreichen kann. Das sollen alle Menschen wissen.»