«Als Team fanden wir neue Lebensfreude»

Sie sitzt im Rollstuhl, er ist blind – beide waren depressiv. Bis sich ihre Wege gekreuzt haben.

Zwei Freunde jauchzen vor Glück in den Rocky Mountains in den USA, während sie die grossartige Aussicht bestaunen. Andere Kraxler staunen auch, aber über das ungewöhn­liche Paar: Denn die Frau hockt auf dem Rücken ihres Kameraden! Der erblindete Trevor Hahn (44) hat sie nämlich auf einen der Gipfel hochgetragen. «Er hat die Beine, ich habe die Augen», erklärt Melanie Knecht (31) lachend. Trotz ihres Handicaps lassen sich die zwei nicht ihre Lebensfreude nehmen.

Bis dahin war es allerdings für beide ein weiter Weg: Melanie wurde mit einer offenen Wirbelsäule geboren und ist seit ihrer Kindheit auf den ­Rollstuhl an­gewiesen. Trevor hat sein Augenlicht vor neun Jahren durch den grünen Star verloren. Bei einem Box-Kurs lernten sie einander kennen. «Wir hatten beide Depressionen und gestanden es uns in den Trainingspausen», erinnert sich die zierliche Brünette.

Auch die Liebe zu den Bergen teilten sie. Und das brachte Trevor auf eine Idee. «Wie wäre es, wenn wir ein Team bilden würden?», fragte er sie. «Du bist so dünn, dass ich dich ohne Schwierig­keiten auf den ­Rücken nehmen könnte.» Gesagt, getan: Von einem Sattelmacher liess sich der sportliche Mann ­ein passendes Tragegestell anfertigen. Wenn Melanie darin sitzt, kann sie dem Freund den Weg ganz genau beschreiben und ihn vor Gefahren warnen. «Doch nicht nur das», wirft Trevor ein. «Sie malt mir auch ständig die Wunder der Natur aus. Dafür bin ich ihr ganz besonders ­dankbar.» Die beiden sind überzeugt, dass auch anderen Körperbehinderten gemeinsame Aktivitäten helfen würden. Ihr Appell ist deshalb klar: «Schliesst diese Menschen bitte nicht aus, weil ihr glaubt, dass sie nichts tun können.»