«Alkoholikern helfe ich mit Malerei zurück ins Leben»

Karin war jahrelang abhängig. Nach einem radikalen Entzug kümmert sie sich heute um andere Süchtige − mit sehr grossem Erfolg!

Sie besucht Schulen und Vereine, gibt Seminare in Firmen und Suchteinrichtungen. Und in Wächtersbach bei Frankfurt (D) hat sie eine Beratungspraxis. Dort hilft sie Suchtkranken mit Farbe und Pinsel. «Durch die Malerei befreit man nicht nur verschüttete Gefühle, man bekommt auch Stabilität», weiss Karin Henningsen (55). Wenn sie über ihren eigenen Weg spricht, ist sie schonungslos offen. «Ich brauchte keinen Grund zum Trinken. Ich fand es einfach gut, mich abzuschiessen, um nichts mehr zu spüren.»

Alkohol gehört für die Münchnerin von Anfang an zum Leben. Der Vater, ein wohlsituierter Kaufmann, ist damals noch Trinker, die Vorräte sind gut gefüllt. Schon mit sechs darf Karin am Sekt nippen, mit 13 trinkt sie täglich Wein und Bier. Die Schule schafft sie trotzdem: «Ich wurde schnell eine Meisterin im Verheimlichen, habe mich immer bemüht, mir nichts anmerken zu lassen.»

Schon damals flüchtet sie sich in die Malerei, trampt mit 18 Jahren nach Paris. Dort zieht sie ein Jahr lang mit einer Künstlerclique durch die Stadt, trinkt Angst und Unsicherheit weg. Valium kommt hinzu. «Tabletten haben den Vorteil, dass man sie nicht riecht», sagt Karin.

Zurück in München jobbt sie in Discos und Kneipen, fällt auf die falschen Männer herein. Die Folge: Mit Anfang 30 braucht Karin schon morgens eine Flasche Schnaps und eine Handvoll Pillen. Trotzdem schafft sie eine Ausbildung zur kaufmännischen Angestellten. Aber sie baut körperlich immer mehr ab. Magenprobleme, Hautentzündungen, stundenlange Ausfälle: «Es war ein grauenhaftes Leben voller Einsamkeit, Schmerzen und Angst.» An einem Sommertag 2001 geht sie dann zu einer Drogenberatungsstelle. «Ich hatte offenbar noch ein Fünkchen Überlebenswillen in mir, und das war stärker als die Sucht», erzählt Karin. Sie kämpft, hält eine stationäre Entgiftung und die Therapie durch. Beim Entzug geht sie durch die Hölle. Sie besucht anschliessend eine Selbsthilfegruppe. Und sie findet Arbeit in einer Suchtberatungseinrichtung.

Plötzlich ist sie jemand, man hört ihr zu, sie kann helfen: «Das hat mich sehr erfüllt.» Zusätzlich lässt sie sich zur Maltherapeutin und Yogalehrerin ausbilden, eröffnet ihre Beratungspraxis. Ihre Bilder stellt sie in Galerien und bei Kunstmessen in ganz Deutschland aus. Karin weiss, dass sie niemals geheilt ist, sich vor Alkohol schützen muss. «Jeder hat es in der Hand, wie er mit Alkohol umgeht. Ich bin der Sucht entkommen, zeige das und will jetzt anderen Menschen helfen, es auch zu schaffen.»