«30 Jahre lang kämpfte ich um die Liebe meiner Mutter»

Sie sollte nie zur Welt kommen – und doch kam sie. Darum wurde das ungewollte Kind von seiner Mutter nie abgelehnt. Doch Eva-Maria Janutin fand trotzdem ihren Weg zu Liebe und Glück.

Mit Geschrei kündete Mitte Juni 1962 ein Baby im Spital in Langenthal BE seine Ankunft auf dieser Erde an. Eine Ankunft, die seine Mutter Katharina zu verhindern versucht hatte.

Mit der Geburt von Eva-Maria ging ein Drama weiter, das vor vielen Jahren seinen Anfang nahm: Bereits als 17-Jährige war Katharina in psychiatrischer Behandlung. 1960 lernte sie Eva-Marias Vater Rudolf Eichelberger kennen; ein Jahr später heirateten sie. Katharina brachte den dreijährigen Sohn Martin mit in die Ehe. Es war wichtig, unter die Haube zu kommen, denn ein uneheliches Kind bedeutete Schande. Ehemann Rudolf liebte Martin, wünschte sich aber eigene Kinder. Seine Frau wollte das um jeden Preis verhindern. Sie befürchtete, ihr Mann könnte die eigenen Kinder Martin vorziehen.

Als sie trotzdem schwanger wurde, liess sie abtreiben. Doch der Bauch wuchs weiter: Die «Engelmacherin» hatte nicht gemerkt, dass ihre «Patientin» mit Zwillingen schwanger war.

Das war ein Schock. Die Mutter liess ihre Tochter vom ersten Tag an spüren, dass sie ein ungewolltes Kind ist. «30 Jahre kämpfte ich um die Liebe meiner Mutter», sinniert Eva-Maria Janutin. «Wie sehr habe ich mir ein liebes Wort oder eine Umarmung ersehnt.» Vergeblich. Wenn es ihrer Mutter psychisch schlecht ging, setzte es sogar Prügel.

So lebte sie als Kind in ihrer eigenen Welt und wurde früh selbständig. «Die fehlende Mutterliebe liess mich jedoch Momente des Glücks umso stärker und eindrücklicher geniessen.» Geliebt wurde sie von ihrem Vater, und zu ihrem Bruder Martin bestand ein inniges Verhältnis. «Vor allem bei meiner Grossmutter Emma fand ich eine seelische Heimat.»

Glück und Leid prägten den Lebensweg von Eva-Maria Janutin. Sie war beruflich erfolgreich, heiratete 1990 ihre grosse Liebe Alex. Der Ehe entsprossen zwei Kinder: Jan (25) und Jael (16). «Was ich als Kind erlebte, lässt mich mein Familienglück umso intensiver geniessen.» Tiefes Leid erfuhr sie vor zwölf Jahren, als Martin den Freitod wählte. «Ich kann nur erahnen warum. Er litt unter dem Diktat unserer Mutter. Nie durfte er sich selbst sein.»

Fünf Jahre später starb ihr Vater. Ihre Mutter erkrankte an Alzheimer und lebt in einem Pflegeheim. Ironie des Schicksals: Auch Eva-Maria trug Zwillinge unter dem Herzen. Aber im Gegensatz zu ihrer Mutter freute sie sich riesig auf die zwei. Leider überlebte nur eines.

Vor einigen Jahren beschloss die heute 55-Jährige, ihr bewegtes Leben niederzuschreiben. «Der Sinn meines Buches ist, Menschen zu zeigen, wie sie sich aus ihren Zwängen befreien. Viele haben das Gefühl, sich selber oder anderen nicht zu genügen. Denen möchte ich helfen, ihre innere Kraft zu aktivieren. Ich will eine Brücke bauen zum Leser und ihm helfen, seelische Nöte zu überwinden.»

Das gleiche Ziel verfolgt sie mit ihren Gesprächs- und Hypnosetherapien in ihrer Praxis in Cham. «Ich glaube an das Gute im Menschen», betont Eva-Maria Janutin, «und wenn jeder mehr nach seinem Herzen handelt als nach dem Kopf, wird es ihm besser gehen.»