«Für mich hat sich ein Kreis geschlossen»

Musiker werden: Davon träumte der Moderator als junger Mann. Dieser Wunsch wurde ihm erfüllt – dank Dabu Bucher von Dabu Fantastic. Der hat sich nach einer schwierigen Zeit neu erfunden und holte sich den TV-Mann als Unterstützung an seine Seite.

Ein Dörfchen wie aus dem Bilderbuch ist Sent GR im Unterengadin – eingebettet in die Bergwelt, schmale Gassen, schmucke Häuser. In einem von diesen liegt die persönliche Ruheoase von Nik Hartmann (49): Seit ein paar Jahren haben er und Ehefrau Carla (49) hier eine Ferienwohnung. Kein Luxus-Objekt, aber genug Platz für sie und ihre Söhne Constantin (19), Frederik (16) und Melchior (13), dessen zerebrale Behinderung einer der Hauptgründe für die Entscheidung war. «So können wir auch spontan mal wegfahren. Hier hat er ein Therapiebett und schläft so gut wie zu Hause», erzählt der Moderator, während er uns durch die Wohnung führt. «Das ist ein grosses Glück, und wir kommen oft her – in wechselnden Kombinationen: mal als Familie, mal bringen die Jungs ihre Freundinnen und Freunde mit.»

Heute allerdings ist keiner der Besagten da, dafür fläzt sich jemand anderes auf dem Sofa in der Arvenstube: Dabu Bucher (41), Kopf und neben DJ Arts Gesicht der Band Dabu Fantastic. Hartmann und er kennen sich seit vielen Jahren, begegneten sich unter anderem bei Interviews fürs Radio und Fernsehen. «An Nik kommt man kaum vorbei, wenn man in der Unterhaltungsbranche tätig ist», sagt Dabu. «Wir hatten immer einen guten Draht zueinander. Und in den letzten zwei Jahren haben wir uns noch besser kennengelernt.»

Das hat einen speziellen Grund: Nik Hartmann ist Co-Produzent des eben erschienenen Dabu-Fantastic-Albums «So Easy». Ein Werk, das Dabu von einer neuen Seite zeigt: Die Songs sind – das Lied «So Easy Wenn Du Da Bisch» liess es vermuten – inspiriert von Chor- und Volksmusik und klingen schweizerischer denn je. Und da kommt Nik Hartmann ins Spiel. Dabu: «Uns war klar: Wenn wir Liedgut machen, brauchen wir jeman­den an unserer Seite, der dieses Land sehr gut kennt. Und wer wäre da besser geeignet als er? Keiner!»

Nicht, dass dieser jemals ein Album produziert hätte. Umso ungläubiger sei er denn auch gewesen, als die Anfrage kam, erzählt Nik Hartmann, der Querflöte und Klavier spielt und früher in Chören sang. Seine Strategie: Offenheit in Bezug auf das, was er kann. «Am Mischpult sitzen und Songs aufnehmen gehört nicht dazu. Aber ich habe Ahnung von Musik, ich kann Bestehendes auseinandernehmen, kritisieren, ordnen. Und ich glaube, ich kann Brücken schlagen zwischen Traditionellem und der modernen Welt. Das ist auch das, was ich mit meinen TV-Formaten immer versucht habe und versuche.»

Angefangen hat die gemeinsame Reise dann vor zwei Jahren genau hier, in der Ferienwohnung, mit einem Wochenende nur zu zweit. Ein neues Kennenlernen mit langen Spaziergängen, tiefgründigen Gesprächen und viel Musik: 65 Songs – teilweise fertig, teilweise angefangen – hatte Dabu Bucher im Gepäck. Im Lockdown hatte er jeden einzelnen Tag einen geschrieben. Eine Produktivität, ausgelöst durch schwierige Zeiten. «Wir waren lange vom Erfolg verwöhnt, plötzlich wurde es weniger», erzählt Dabu. «Viel zu oft habe ich die Zahlen überprüft, wie gut etwas performt, wie es ankommt – und habe den Spass an dem verloren, was ich am liebsten mache: Musik. Und dann kam Corona, unsere Tour wurde abgesagt.»

Was folgte, waren fünf Wochen Zurückgezogenheit in seiner Wohnung. Kein echter, körperlicher Kontakt mit Freunden und Freundinnen, der Band und anderen Menschen. Komisch sei es gewesen, plötzlich nur mit sich selbst zu sein. Doch das Alleinsein brachte auch Zeit für Besinnung. «Ich konnte alles neu überdenken: Was möchte ich? Zu welchen Bedingungen? Was bedeutet das für mein Leben? Die Antwort war für mich: Ich will Lieder schreiben, in Mundart mit einem starken Bezug zur Schweiz. Musik, in die sich die Menschen verlieben können. Und weg vom Druck, so viel wie möglich verkaufen zu müssen. Das war die Basis.»

So entstanden die neuen Stücke – mit dem Sound von Schweizer Chören, wo es nicht um Perfektion geht, sondern um das gemeinsame Singen, das Bier danach in der Dorfbeiz. Eine Welt, die Dabu Bucher kennt. Er ist auf dem Land aufgewachsen, zog als junger Rapper aber bald nach Zürich. War es schwierig, diese «Transformation» durchzuziehen? «Es hat vor allem Mut gebraucht, die städtische Coolness endlich komplett abzulegen und zu sagen: Ich komme nun mal aus Mönchaltorf, ganz egal, wie lange ich schon in Zürich lebe. Ich möchte nicht mehr anderen gefallen, sondern mich selber sein. Dazu hat mich auch Nik ermutigt.»

Das bestätigt dieser. Er nahm Dabu Bucher schon vor vielen Jahren als jungen Mann wahr, dem seine Herkunft ein bisschen peinlich ist. Während der Zusammenarbeit habe er ihn ermuntert, die «blutti Seel» auf den Tisch zu legen. Stundenlang hörten sie die Demos an, gingen ins Detail, Nik kritisierte und feilte teilweise auch textlich mit. «Wobei das nicht wahnsinnig viel war», relativiert der Zuger. «Es ging mir nicht darum, einen Fussabdruck zu hinterlassen. Das war für mich Hintergrundarbeit, die im Moment auch gut in mein Leben passt.»

Als Co-Leiter der Abteilung Eigenproduktionen TV National bei CH Media steht er weit weniger vor der Kamera als früher bei SRF. Bei der aktuellen Staffel von «Sing meinen Song» (mittwochs, 3+) etwa, wo auch Dabu dabei ist, mischt er hinter den Kulissen als Produzent mit, unterstützt u. a. Gastgeber Seven bei der Modera­tion. In «Masterchef» (montags, 3+) hat er als Moderator eine relativ kleine Rolle. Es gehe ihm heute mehr darum, Erfahrungen weiterzugeben, als sich selbst in den Fokus zu stellen. So auch bei der Mitarbeit am Dabu-Fantastic-Album. «Wobei ich das weniger als Job, sondern vielmehr als grosse Freude sehe.»

Für Nik Hartmann hat sich damit quasi ein Jugendtraum erfüllt. «Ich wollte Musiker werden, habe überlegt, Musik zu studieren, es dann aber nicht weiterverfolgt – ich Depp», sagt er. «Wenn ich wirklich ein Talent hatte im Leben, war es wohl das.» Die Zusammenarbeit jetzt habe ihn in diese Zeit zurückgeworfen. «Meine Frau hat mich oft mit einem speziellen Lächeln beobachtet. Ich glaube, sie hat diesen alten Nik gesehen. Mit der Anfrage hat sich für mich ein Kreis geschlossen.»

Ob der Ausflug in diese Musikwelt eine einmalige Sache bleibt? In Zukunft würden natürlich alle Schweizer Bands mit ihm produzieren, witzelt er. Dabu Bucher lässt es in Bezug auf Dabu Fantastic – die sich für das Fertigstellen der Songs übrigens eine Woche hier in der Wohnung in Sent einquartiert hatten – offen: «Zwar bin ich bekannt dafür, immer sehr weit zu denken, aber bei diesem besonderen Album habe ich mir vorgenommen, es total auszukosten, ohne neue Pläne zu schmieden. Es stehen Konzerte an, Festivals, das will ich geniessen.» Klar, wird Nik Hartmann öfter im Publikum sein. «Live waren sie immer schon eine Wucht! Und Dabu, DJ Arts und die ganze Band sind einfach tolle Menschen. Ich bin wirklich froh, dass ich Teil dieses Projekts sein durfte.»