Schreiben gegen den Tod

Er liebte das Älplerleben. Doch die harten Bedingungen ruinierten die Gesundheit von Hansjakob Marti, und er kann nicht mehr arbeiten. Darum hat der zähe Bergbauer eine alte Leidenschaft zu neuem Leben erweckt: das Schreiben.

Malerisch schmiegt sich das Heimetli an den steilen Hang nahe des Dorfes Matt im Glarner Sernftal. Drinnen in der Küche sitzt Hansjakob Marti (66), und seine Frau Vreni (66) tischt eigenen Alpkäse auf.

Mit rauer Stimme erzählt der Bergbauer: Neben der Arbeit auf dem Hof und der Käseproduktion auf der Pachtalp im Krauchtal war er elf Jahre lang Gemeinderat, bildete Landwirtschaftslehrlinge aus und wirkte in Vereinen mit. Aber am liebsten war er in der Natur.

«Das kann ich aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr», erklärt er. Vor 20 Jahren erkrankte er an der Lunge, die nur noch zur Hälfte arbeitet, was zu einer Schwächung des Herzens führte. Marti erlitt im Laufe der Jahre mehrere Infarkte. Die vielen Medikamente verursachen Magenprobleme. Und der früher passionierte Schwyzerörgeler und Trompeter ist auf zwei Hörgeräte angewiesen. Sein ältester Sohn Christoph hat den Bauernbetrieb übernommen und führt auch die Tradition des Käsens weiter.

«Jänu, äsoo isches halt», meint er in seinem Dialekt, «aber ich hoffä, ich lebä nuch äs paar Jährli.» Er erträgt die Kälte nicht mehr. Um Lungenentzündungen zu vermeiden, geht er im Winter kaum mehr aus dem Haus. «Ich habe Angst.» Angst, seine Familie nicht mehr zu sehen: seine Frau, die zwei Söhne, die Tochter – und vor allem seine vier Enkel.

Sein Leben hätte anders verlaufen können: Hansjakob war ein guter Sekundarschüler, besonders in Mathematik. Die Lehrer rieten zu einem Studium, er habe das Zeug dazu. Doch er entschied sich für die Landwirtschaft. Besonders das Alpleben und das Käsen gefielen ihm.

Aber wie kann man in gesunder Bergluft so krank werden? «Wahrscheinlich liegt es am damals ungesunden Älplerleben. Wir konnten nicht richtig heizen, mussten uns oft in nassen Kleidern zum Schlafen legen. Wir besassen ja keine wetterfeste Kleidung wie heute. Bei Regen schützte uns notdürftig ein Jutesack. Dazu kam der Rauch der offenen Feuerstelle in der Hütte.» Marti sinniert: «Hätte ich studiert, stünde es vielleicht besser um meine Gesundheit.»

«Zwar ein schwacher Trost», meint er, «aber ohne die gesundheitlichen Probleme hätte ich nie Bücher geschrieben.» Ein Bergbauer als Buchautor? «1973 begann ich auf unserer Alp mit der Käseproduktion. Wenn ich zwei Mal pro Tag käsen musste, hiess es bis Mitternacht warten, um die Laibe zu wenden. Ich war todmüde, und um nicht einzuschlafen, begann ich zu schreiben. Damals entstanden die meisten Geschichten des ersten Buches.» Doch dann hatte er dafür jahrzehntelang keine Zeit mehr.

Vor ein paar Jahren kramte er seine Geschichten hervor, fand dafür auch einen Verleger – und viele Leser. Das zweite Buch, in Dialekt, erschien Ende 2018 im Eigenverlag. Ermutigt vom Erfolg schreibt Hansjakob Marti fleissig weiter: Die Rohfassung seines ersten Romans, eine Art Krimi, ist beinahe fertig, sein zweiter im Entstehen. Er handelt vom Schicksal einer Bergbauernfamilie.

Nachdenklich fährt er fort. «Ich habe das Glück, dem Tod von der Schippe gesprungen zu sein. Irgendwann macht aber das Herz nicht mehr mit.» Doch so lange es die Gesundheit erlaube, werde er weiterschreiben. Seine Zuversicht erinnert an den Titel seines zweiten Buches: «… mit denä Steinä muurä, wo mä het!».

Buch-Tipps

Bisher hat Hansjakob Marti zwei Bücher geschrieben: «… mit denä Steinä muurä, wo mä het!» Erzählungen in Mundart. Eigenverlag Hansjakob Marti, Matt. Zu beziehen über Buchhandlung «Wortreich», Glarus. Fr. 25.– «Niggälifallä», eine Biographie, Somedia-Buchverlag. Fr. 19.80. Kontakt Hansjakob Marti: hjmarti@active.ch