Amseln: So wunderbar normal

Gäbe es bei den Vögeln einen Standard-Typen, wäre das wahrscheinlich die Amsel. Jedes Kind kennt sie, es gibt viele in der Schweiz, und sie ist nicht sehr speziell. Aber genau das macht sie zu etwas Besonderem!
 
Schwarzes Gefieder, orangefarbener Schnabel: Selbst Menschen, die keine Ahnung von Vögeln haben, erkennen eine Amsel, wenn sie ihnen über den Weg flattert – und das passiert oft. So könnte man die Tiere fast unter dem Prädikat «langweilig» abstempeln. Aber haben sie das wirklich verdient? Der Anruf beim Schweizer Vogelschutz SVS/BirdLife Schweiz bringt zutage, dass vielleicht gerade ihre Normalität das Aussergewöhnliche ist. «Speziell an Amseln ist», sagt Biologin Christa Glauser, «dass sie eben fast nichts Spezielles haben!» 
 
Rund eine halbe Million Amselpaare lebten bei der letzten Zählung 2004 in der Schweiz, nur Buchfinken gibt es mehr. Neue Daten werden von der Vogelwarte Sempach gerade erhoben. «Anfang des 19. Jahrhunderts waren Amseln noch Waldvögel, doch dann eroberten sie den Siedlungsraum, sind heute fast überall zu finden», erzählt Christa Glauser. «In einem Durchschnittswohngebiet, wo es eine Wiese und ein paar Bäume hat, gibt es bestimmt auch Amseln.»  
 
Allerdings werde es auch ihnen schwerer gemacht: In zubetonierten Gegenden wollen und können selbst sie nicht leben. Deshalb würden sie sich freuen, so die Expertin, wenn in Gärten einheimische Sträucher wie Schwarzdorn oder Hollunder gepflanzt werden, wo sie auch im Herbst und Winter Nahrung finden.
 
Amseln sind weniger wählerisch als andere Vögel: So fressen sie Insekten wie auch Beeren und Würmer – weshalb man gar ihren Schnabel als durchschnittlich bezeichnen könnte. «Insektenfresser haben pinzettenartige, feine Schnäbel. Die von Körnerund Beerenfressern dagegen sind stark und dick, damit sie auch härtere Schalen knacken können. Der Schnabel der Amsel ist irgendwo dazwischen.»
 
Auch wenn sie betreffend Nahrung und Aussehen – weibliche Amseln sind übrigens braun – nicht Aufsehen erregen: Einige Besonderheiten finden sich dann aber doch noch. So ist der Gesang von Amseln, die man im Frühling schon ab Februar/März singen hört, herausragend schön – sehr melodiös und variantenreich. Und wenn man jetzt, an warmen Sommertagen, die Augen offen hält, kann es sogar sein, dass die so wunderbar normalen Amseln für Verwirrung sorgen. «Sie ‹sünnelen› gerne», erzählt Christa Glauser. «Weil sie sich dabei aber auf die Wiese legen, die Flügel ausstrecken und den Kopf schräg legen, sieht es fast so aus, als wären sie tot. Dabei machen sie nur Wellness!»