Viele Tränen wegen Papas grossem Geschenk

Das Gesamtwerk von Udo Jürgens lebt acht Jahre nach seinem Tod wieder auf – dank seinem Sohn und seiner Tochter. Dies sorgte für viele emotionale ­Momente bei den ­beiden, die sich ihm nach wie vor sehr nah fühlen.

Der lange Kampf nahm vor gut einem Jahr ein Ende: Der Streit um die Rechte an den Liedern von Udo Jürgens wurde beigelegt. Über die Verwendung sämtlicher seiner Titel entscheiden seither seine ehelichen Kinder Jonny (58) und Jenny (55). Und sie lassen ihren Vater, der am 21. Dezember 2014 mit 80 Jahren verstarb, nun mit dem Album «da capo, Udo Jürgens» wieder aufleben – dank grosser Klassiker, unveröffentlichter Varianten und seltener Live-Versionen.

GlücksPost: Was macht dieses Album für Sie besonders und einzigartig?

Jenny Jürgens: Es ist eine extrem emotionale Situation, die Stimme unseres Vaters endlich wieder zum Erklingen bringen zu können. Das Werk führt den Zuhörer durch alle Zeiten und Gefühlslagen unseres Vaters. Das macht es so einzigartig für mich. Beim Anhören des Albums musste ich das ein oder andere Mal weinen.

Was bedeutet «da capo» für Sie?

«Mach es noch mal!» Mein Vater ist noch nicht vergessen. Wir haben die Türe jetzt endlich aufmachen können und beschreiten diesen Weg mit Sony Music als Familie. Mein Vater hat ein wahnsinniges Werk hinterlassen mit über 1000 Songs, da steckt viel Potenzial drin. Wir möchten den Fans noch Sachen zeigen – auch neue musikalische Schätze –, ohne sich ständig zu wiederholen. Das ist unser Plan.

Worauf kann man sich freuen?

Mit dem Album wollen wir unseren Vater ehren. Es ist eine Verneigung, eine Hommage, in der man alles findet. Unser Anliegen war es, den Fans jetzt etwas zu präsentieren, was es in der Form noch nicht gegeben hat.

John Jürgens: Für mich ist «da capo» quasi der Abschluss eines Zyklus, der verschiedene Stationen seiner Weltkarriere darstellt und hörbar macht. Aber für uns ist es ein neuer Anfang.

Was war das für ein Gefühl, als Sie beide zum ersten Mal vor seinem gigantischen Lebenswerk gestanden sind, um eine Auswahl für dieses Album zu treffen?

Jenny Jürgens: Ein Gefühl von tiefstem Respekt und Ehrfurcht. Wir befanden uns in zwei riesigen Räumen, die bis unter die Decke voll mit Tonbändern, Bildern und Aufnahmen gefüllt waren. Ich wusste immer, dass mein Vater ein unglaubliches Lebenswerk hinterlassen hat, aber wenn man das optisch sieht, begreift man es erst richtig. Ich bin so stolz auf ihn.

Welcher ist euer Lieblingssong?

Jenny Jürgens: «Damals wollt’ ich erwachsen sein» zum Beispiel. Mein Vater hatte auch seine kindliche Seite, und die Beziehung zu seinen Eltern war sehr, sehr intensiv. Mit dem Alter wurde Udo immer sensibler. In vielen Dingen war er auch sehr emotional, und man spürt in dem Lied so viel von ihm. Wie er wirklich war. Diesen Song kann ich fast nicht hören, ohne dass mir die Tränen kommen.

John Jürgens: Ich bekomme heute noch Gänsehaut bei «Der gekaufte Drache». Mein Vater hat mir den Song einmal in einem Konzert live gewidmet. Er sprach mich direkt von der Bühne an, und mir lief das Augenwasser nur so hinunter. Ich bin keiner, der ständig heult, aber da konnte ich nicht mehr. 10 000 Menschen in der Halle, und der Mann spricht dich an und singt dann den Song. Das ist Wahnsinn, und ihn auf dem Album zu hören, berührt mich sehr.

Welche Schätze verbergen sich weiter?

John Jürgens: Wir haben unveröffentlichte Jazz-Sachen gefunden. Mein Vater liebte den Jazz und ist im Herzen immer ein Jazzer geblieben. Ein weiteres Highlight ist die englische Version von «Griechischer Wein».

Jenny Jürgens: Ich freue mich, dass das Lied «Liebe ohne Leiden» mit mir in der Live-Version zu hören ist. Oder «Ein Bote aus besseren Welten» live aus der Wiener Staatsoper. Das hat es so noch nie auf CD gegeben.

Wie würde Udo Jürgens reagieren, wenn er dieses Album vor sich liegen hätte?

John Jürgens: Ich glaube, er wäre stolz auf sich und auch auf uns. Weil ihm die Auswahl gefallen hätte, die sehr durchdacht ist. Wir zeigen, wie modern, politisch und seiner Zeit voraus er war.

Jenny Jürgens: Ich glaube auch, dass er sehr stolz wäre. Es würde ihn sehr anrühren zu sehen, wie viel Kraft seine Kinder in den letzten Jahren aufgebracht haben, um genau dieses Ziel zu erreichen.

Gibt es Momente, in denen ihr euch eurem Vater sehr nahe fühlt?

John Jürgens: Ich fühle mich meinem Vater immer nahe, wenn ich an ihn denke oder wenn ich durch die Fotos scrolle und mich an Momente oder Situationen erinnere. Auch die Arbeit an diesem Album gehört zu diesen Momenten. Dass wir heute all diese Lieder haben, ist ein unermessliches Geschenk. Und auch, dass wir ihn so erlebt haben, wie wir ihn erlebt haben, über Jahre und Jahrzehnte − in den Konzerten, im Fernsehen, im Privaten.

Jenny Jürgens: Irgendwie denke ich immer mit irgendwas an ihn, und wir sprechen ja auch so oft über ihn, wenn wir zusammen sind. Ganz besonders nahe fühle ich mich Papa, wenn ich Videos von ihm oder seine letzten Auftritte zehn Tage vor dem 21. Dezember, seinem Todestag, auf Youtube anschaue. Das zerlegt mich regelrecht, ohne zu weinen geht das nicht. Es vergeht kein Tag, an dem ich nicht an den Papa denke. Das Tröstliche ist: Er ist eigentlich immer präsent und ein Teil von uns.