Einen Teil der Seele verloren

Nach seinem Hirnschlag versucht der Moderator, zurück ins Leben zu finden. Offen gibt er zu, wie schmerzhaft dieser Weg ist – doch es gibt einen Lichtblick: Er kehrt zum Radio zurück.

Ein Kämpfer ist zurück! Vor gut einem Jahr, am 28. November 2016, riss ein Hirnschlag Thomy Scherrer (57) jäh aus dem normalen Leben. Ein Schock für die Zuschauer, sein Umfeld – am meisten aber für ihn selbst. Im «Nachtclub» auf Radio SRF 1 erzählte er erstmals offen vom grössten Einschnitt in seinem bisherigen Leben. Und von seinen neuen Radio-Plänen.

Thomy Scherrer über …

… den folgenschweren Tag
Er habe es sich nach einem «relativ heftigen» Arbeitstag im Dunkeln vor dem Fernseher gemütlich gemacht. Seine Frau Marie-Anne (59) kam nach Hause, rief nach ihm, er antwortete – vermeintlich mit normalen Worten. Es war jedoch eine Art Lallen. «Bist du betrunken?», fragte sie und schaltete das Licht an. «Da sah sie, dass mein linkes Auge und der linke Mundwinkel nach unten hingen und wollte den Notruf wählen. Ich wurde so richtig sauer.» Er hielt sie davon ab. Als er später beim Abräumen nach dem Essen drei Mal den Teller fallen liess, tat sie es gegen seinen Willen.

… die Diagnose
Im Spital wurde eine Tomographie durchgeführt. «Die Erinnerungen daran sind nicht mehr ganz wach, aber ich weiss noch, dass ich aus der Röhre kam und den Arzt sagen hörte: ‹Herr Scherrer, Sie hatten vorne rechts einen Hirnschlag.›» Er habe schon viele Verletzungen gehabt, diesmal aber wusste er, dass es wirklich ernst ist. Bilder kamen auf – nicht mehr sprechen, nicht mehr laufen … «Ich dachte zuerst: Warum hat es mich nicht gleich ganz ‹butzt›?»

… die Reha
Sofort ging es ans Hirntraining: Logikaufgaben, mit Klötzchen bauen und so weiter. Nach zwei Wochen durfte Scherrer, der eine Hobby-Band hat, in den Proberaum. Er spielt Schlagzeug. Das funktionierte noch, wenn auch weniger dynamisch, sein Gesang allerdings war schief, was er selbst nicht hörte. Es brauche bis heute eine Unmenge an Geduld – nicht seine Stärke. «Ich bin es angegangen wie andere Rehas zuvor: verbissen. Doch ich merkte, dass das in diesem Fall nicht ging.» Nebst der Reha seien seine Frau und Freunde Gold wert gewesen, die ihn erzählen liessen. «Man muss darüber sprechen.»

… das Heute
Ein Jahr lang managte Marie-Anne sein Leben, heute könne er das wieder selbst. Er wirke wieder wie der Alte, werde ihm oft gesagt: Doch genau das sei schwer für ihn, weil er sich nicht so fühle. Er könne es nur so beschreiben: «Ich fühle mich nach wie vor fremd in mir selber, bin nicht mehr der­selbe. Ich habe das Vertrauen in mich verloren. Klar belegbar ist, dass ich viel mehr Schlaf brauche und nicht mehr viel Stress ver­trage.» Er geht in eine Gesprächstherapie, bekommt leichte Psychopharmaka, weil er depressive Phasen habe. «Ich bin immer noch sehr wütend, dass mir das passiert ist. Laut der Therapeutin müsste ich akzeptieren und trauern, durchs Tal der Tränen, um abschliessen zu können. Doch das fällt mir schwer, ich bin nicht der Typ, der sich bemitleidet.»

… sein Radio-Comeback
Vorerst wird er jeweils dienstags um 14 Uhr eine Stunde lang moderieren – ein einmonatiger Test, dem eine riesige Anspannung vorausging. «Ich habe in meinem Leben viel erlebt, eine solche Angst verspürte ich aber noch nie. Wo ist der alte Thomy Scherrer? Ich kann wieder reden, wieder denken, aber wo ist meine Seele? Die habe ich etwas verloren.» Er habe immer einen Tick mehr Energie gehabt als andere, diese sei nun irgendwo im Universum verpufft. Den ersten Schritt zurück zu seinem geliebten Radio-Job hat er trotzdem gemeistert. Mit dem TV sei es wohl für immer vorbei, das sei zu viel für ihn. Dennoch: Der Fortschritt ist riesig – und seine Freude unbändig: «Ich chumä wieder!»