Sonja Nef: «Mein Vater wünscht sich, dass wir heiraten»

Diesen Frühling will die Ex-Skiweltmeisterin ihrem Hans endlich offiziell das Jawort geben, auch wenn ihr fast vollständig gelähmter Papa nicht dabei sein kann. Denn er möchte nicht, dass sie ihm zuliebe noch länger wartet.
 
Du muesch im Lade bliibe!», ruft Sophia (4) ihrer Schwester Anna (2 1/2) hinterher. Sie spielen gerade Verkäuferlis, wobei die ältere Schwester gleich alles kaufen will – und die jüngere hinter der Theke die grosse Bestellung ignoriert und wegläuft.

Mami Sonja (38) und Papi Hans (42) können sich ein Lächeln nicht verkneifen und fordern die beiden auf, für Fotos zu posieren. «Denkt dabei an Opa, er wird sich sicher über die Bilder mit euch freuen», motiviert die Ex-Skirennfahrerin ihre Mädchen. Doch kaum sitzt die eine artig, beginnt die andere zu zappeln – und umgekehrt. «Mit ihrem Temperament lenken sie uns davon ab, uns andauernd um meinen Vater zu sorgen», sagt Sonja. Sie und ihre Familie mussten in den vergangenen elf Monaten immer damit rechnen, dass sie aus der Intensivstation des St. Galler Kantonsspitals schlimme Nachrichten erreichen könnten. Denn ihr geliebter Vater Willi (67) leidet am Guillain-Barré-Syndrom, einer immunologischen Krankheit, die ihn zu einem Gefangenen im eigenen Körper macht. Er ist bei Bewusstsein, aber vollständig gelähmt und muss künstlich beatmet und ernährt werden.

GlücksPost: Sie scheinen guter Dinge zu sein. Geht es Ihrem Vater denn besser?
Sonja Nef: Ja, es geht bergauf. Die Ärzte sind daran, ihn selbständig atmen zu lassen. Bereits stellen sie die Beatmungsmaschine teilweise auf Spontan-Atmung um.
 
 
Monatelang hatte er die Augen geschlossen und konnte sich nicht mitteilen. Wann änderte sich das?
Es war für uns wie ein Wunder, als Papa kurz vor Weihnachten den Kopf zu bewegen und auf unsere Fragen mit leichten Hand-und Lippenbewegungen zu antworten begann. Zwischenzeitlich kann ich ihm fast jedes Wort problemlos von den Lippen ablesen.
 
Und was hat er Ihnen erzählt?
Er hatte höllische Schmerzen und litt während seiner komaähnlichen Schlafphasen unter schrecklichen Albträumen. Es war so schlimm, dass er einerseits einfach nur wollte, dass das alles aufhört. Anderseits hatte er panische Angst, nie mehr aufzuwachen und uns nie mehr unter normalen Umständen zu sehen. Erst seit drei Monaten realisiert er, wann er träumt und wann er wach ist. Heute lächelt er uns entgegen, wenn wir ihn besuchen kommen. Er kann den Ärzten sagen, was ihn plagt, und worüber er informiert werden möchte.
 
Was interessiert ihn besonders?
Es macht ihm Spass, wenn ich ihm Fotos der Kinder in Zeitschriften zeige, oder wenn wir uns über ein Skirennen unterhalten, das am Wochenende lief. Ich habe ihm auch DVDs vom letztjährigen Schwingfest besorgt, die er sich begeistert im Rollstuhl sitzend anschaut. Aber er hat physisch und psychisch viel mitgemacht und ist noch ganz am Anfang eines langen Genesungsprozesses. Es geht ihm den Umständen entsprechend gut, und ich bin den Ärzten und dem Pflegepersonal so dankbar, dass sie ihn all die Monate so umsichtig behandelt und umsorgt haben. Selbst in der Nacht wurde er alle paar Stunden anders gelagert, sodass er nie wund wurde.
 
Wie erträgt er sein Schicksal?
Sehr, sehr tapfer. Die Ärzte haben gesagt, dass die Fortschritte seinem eisernen Willen zu verdanken sind. Jetzt, wo er die Hände langsam bewegen kann, und sich die Nerven langsam regenerieren, hat er manchmal Schmerzen, die kaum auszuhalten sind. Noch wird er künstlich ernährt. Aber wenn der Tubus einmal entfernt werden kann, muss er in der Reha wieder alle Lebensfunktionen lernen und die Muskeln aufbauen. Damit wird er aber auch ein grosses Stück Lebensqualität zurückgewinnen. «Mami, komm wir gehen zu den Häsli», unterbricht Sophia und zupft Sonja ungeduldig am Arm. Auch Hans wird bestürmt, und so geben die Eltern nach und füttern mit ihnen die Haustiere, die von den Mädchen gestreichelt und liebkost werden. Einen Moment lang sind Sophia und Anna so abgelenkt, dass sich ihr Mami wieder ins Haus zurückziehen kann.
 
Wissen Sophia und Anna denn, wie es um ihren Opa steht?
Ich habe sie von Anfang an ins Krankheitsgeschehen miteinbezogen und sie auch ins Spital mitgenommen. So zeigen sie keine Berührungsängste. Sie helfen manchmal sogar meiner Mutter Friedi und mir, den Opa zu waschen,und durften ab und zu mit dem Stethoskop sein Herz schlagen hören. Aber da sie noch klein sind, langweilen sie sich recht schnell, und gehen dann nach zehn Minuten mit Oma in die Kantine, während ich mich noch ein Weilchen mit meinem Vater unterhalte.
 
Haben Sie ihn schon auf das Thema Hochzeit angesprochen?
Wir sprechen über alles, natürlich auch über die privaten Dinge, die uns am Herzen liegen. Als ich ihm sagte, dass wir mit der Hochzeit auf ihn warten wollten, widersprach er vehement und sagte: «Heiratet standesamtlich, sobald es die Zeit erlaubt, um rechtlich abgesichert zu sein! Schaut nicht auf mich!» Ich habe ihm darauf versprochen, Hans nach dieser Winter-Skisaison das Jawort zu geben, aber mit dem «Feschtli» zu warten, bis er dabei sein könne. Noch aber haben wir keinen Termin festgelegt.
 
Ihr wohnt seit neun Monaten im neuen Zuhause in Mörschwil am Bodensee. Habt ihr euch gut eingelebt?
Uns gefällt es hier super! Noch haben die Kinder «Gschpänli» vom früheren Wohnort, und besonders unsere ehemaligen Nachbarn fehlen uns sehr. Aber nach den Sommerferien geht Sophia in den Kleinkindergarten, und dann werden sich sicher neue Spielkameraden finden. Toll ist natürlich die Tatsache, dass wir bei einem Ponyhof wohnen. Die Mädchen gehen manchmal auch allein zu den Ställen und werden dort herzlichst betreut. Mittlerweile kann auch ich leidlich gut reiten und freue mich auf meinen ersten Ritt ins Grüne. Die Klingel schellt, die Tür geht auf und lauthals melden sich die Mädchen zurück. «Mami, Mami, wir haben Hunger! Wann gibt es Mittagessen?» Sonja nimmt sie kurz in die Arme und verspricht, sich mit dem Spaghetti-Kochen zu beeilen. In der Zwischenzeit zeichnen die beiden nimmermüden Schwestern etwas Schönes für Papi, der als Trainer des Schweizer Abfahrtsteam im Winter viel unterwegs ist. «Leider muss Hans schon bald wieder weg», bedauert Sonja. «Aber umso mehr freuen wir uns auf die Zeit ab Mitte April, wenn er wieder mehr zu Hause ist.» Und dann geht er mit ihr zum Standesamt!