Schlaflose Nacht wegen «Oscar»

Wenn in Los Angeles die Goldmännchen vergeben werden, fiebert auch die «Glanz & Gloria»-Moderatorin mit. Denn sie kommentiert für SRF live die glamouröse Verleihung.

Vom 4. auf den 5. März wird sie durcharbeiten. Ihr Kommentar dazu: «Megacool! Ich muss einfach literweise Kaffee in Griffnähe haben.» Nicole Berchtold (39) wirkt dabei ausgesprochen entspannt, nimmt dann einen Schluck – Latte macchiato. «Wirklich, ich hätte nie gedacht, dass wir die ‹Oscar›-Verleihung mal live übertragen werden. Geträumt haben wir immer davon – und ja, das tut uns gut.» Sie spielt darauf an, dass nicht wenige «Glanz & Gloria» nach wie vor als überflüssig und oberflächlich abtun. «Mittlerweile mag ich mich aber nicht mehr über solche Leute aufregen.»

Worüber sich die Bernerin sehr wohl aufregen kann und was seit letztem Herbst für Schlagzeilen sorgt: #MeToo. Auch bei den «Oscars» steht das im Mittelpunkt. «Ein Riesenthema. Ich frage mich, ob alle Frauen Schwarz tragen werden – das würde Sinn machen.» Nicole Berchtold verweilt nicht länger bei Äusserlichkeiten, sondern erwähnt James Franco, Kevin Spacey und einige andere, die nicht über den roten Teppich schreiten werden. «Ich finde es richtig und gut, dass das jetzt auf den Tisch gelegt und diskutiert wird. Was sich diese Leute unter dem Deckmantel ihrer grossen Namen geleistet haben!» Ein paar Worte zu Harvey Weinstein, der die Sexismus-Debatte ja auslöste? «Ein ekelhafter Protz, der das Machtgefälle zwischen sich und Schauspielerinnen schamlos ausnutzte. Aber eben: ein gewichtiger Name.» Solche Übergriffe müsse man thematisieren, auch bei uns, unbedingt. «Hier gibt es ebenfalls prestigeträchtige Jobs in Film, TV und der Modewelt zu vergeben, in Bewerbungsgesprächen wird leider allzu oft Macht ausgespielt, wie man lesen konnte.»

Ihr sei das zum Glück nie passiert, die Frage sei berechtigt, aber auch sie hat schon erlebt, dass ihr einer ungewünscht zu nahe kam. Sie zuckt mit den Schultern. «Männer können erst seit #MeToo erahnen, was man als Frau einstecken muss.» Dazu gehört auch, dass die optische Erscheinung in Jobs wie ihrem mehr Gewicht hat als die der männlichen Kollegen, oder? Sie nickt. «Zum Glück ist das bei SRF nicht so ausgeprägt der Fall. Ich empfinde es als wohltuend, dass bei uns auch ältere Frauen am Bildschirm zu sehen sind.» Mit diesen könne sie sich besser identifizieren, als wenn ein 18-jähriges «Tüpfi» («den Ausdruck verwende ich bewusst») ihr die News erzählen würde.

Im Juni feiert Nicole Berchtold ihren 40. Geburtstag. Noch werde sie nicht auf ihr Alter angesprochen, sondern eher auf die Blondinen-Schiene gestossen, «s Blondinli, wo nume abläse cha». Eine Dame, deren Namen sie vergessen hat, verwehrte ihr gar mal ein Interview, allein wegen der Haarfarbe. «Umgekehrt kann es taktisch von Nutzen sein, wenn man unterschätzt wird.» Sie lächelt. «Damit kann ich umgehen, ich weiss, was ich kann.» Gehaltvolle Gespräche führen etwa, wie neulich mit Komiker Guy Landolt, der bei ihr erstmals über seinen Schlaganfall redete. «Ein Thema, das Tiefe generiert, Betroffenheit», sagt sie bescheiden, «das schafft eine ganz andere Ausgangslage für ein Gespräch, als wenn die neue Miss Schweiz dasitzt.»

Vielleicht moderiert sie ja in ein paar Jahren ein anderes Format, wo sie diese Qualitäten noch mehr ausspielen kann? «Mal sehen, wohin mein Weg mich führt.» Derzeit steuert sie den Fachhochschulabschluss in Neurokognitiver Psychologie an. «Und nein», greift sie der nächsten Frage vor, «ich bin nach wie vor sehr glücklich bei ‹Glanz & Gloria›.» Sie wolle einfach die Kopfarbeit noch etwas intensivieren. Hat das auch mit dem anstehenden runden Geburtstag zu tun? «Ja, es ist schon ein Wendepunkt. Ich verspüre das Bedürfnis, mir zu überlegen, was ich noch will im weiteren Leben.»

«Oscars» bei SRF

Los geht es am Montag, 5.3. um 00.55 Uhr auf SRF 2 – erst mit der Live-Übertragung des Schaulaufens auf dem roten Teppich, ab 2 Uhr dann die Verleihung. Nicole Berchtold kommentiert mit Gästen im Studio den modischen Auftritt der Stars  bzw. die Vergabe der Filmpreise .