«Roger Federer war ganz unten»

Nach seinen Knie-Operationen musste das Tennis-Ass die Fitness komplett neu aufbauen. Sein Konditionstrainer ­verrät, wie der steinige Weg zurück verlief.

Noch mal von vorne anfangen, sich an das Niveau eines Top-Spielers herantrainieren – und das mit bald 40 Jahren! Das Phänomen Roger Federer zeigt sich nicht nur auf dem Platz, sondern auch daneben, wie sein Konditionstrainer Pierre Paganini (63) im Interview mit dem «Tages-Anzeiger» sagt.

Die im Februar 2020 vorgenommene Operation am rechten Knie entpuppte sich als komplizierter als gedacht: Federer wollte eigentlich im Sommer 2020 wieder auf die ATP-Tour zurückkehren. Anfang Juni informierte er, sein Knie brauche einen zusätzlichen Eingriff. Er stellte in Aussicht, «alle zu Beginn der Saison 2021 wieder auf der Tour zu sehen».

Paganini erzählt, wie Federer mit Übungen beginnen musste, die ein 70-Jähriger problemlos bewältigt. «Das erste Mal, als er wieder einen Sprung über die Hürde machte, war er fast euphorisch. Und danach richtig stolz. Wenn das keine Leidenschaft ist», schwärmt der Mann, der als einer der weltbesten Konditionstrainer im Tennis gilt. Von Federers Passion sei alles abhängig in ihrer Zusammenarbeit. «Sonst würde er sich nicht mehr auf die Trainings einlassen, die wir ihm vorschlagen. Du musst ein positiv denkender Mensch sein.» Er sei selber immer wieder überrascht und frage sich manchmal: Warum macht er all das eigentlich noch?

2016 musste Federers linkes Knie operiert werden, sechs Monate später gewann er die Australian Open. Dass es diesmal länger geht, liegt nicht am Alter, wie Paganini betont, sondern an der langen Zeit zwischen OP und Wiederaufnahme des Trainings: «Seine Muskulatur war überhaupt nicht mehr im gleichen Zustand, die Disbalancen extrem. Er war ganz unten.» Sie seien erst jetzt so weit, dass man von rich­tigem Konditions- und Tennistraining sprechen könne, ohne jede Sekunde ans Knie zu denken. «Das tut Roger gut, er brauchte unglaublich viel Geduld.»

Paganini glaubt nicht, dass es für den Maestro einen Moment gibt, in dem er zu alt ist, auf dem gewohnten Level zu spielen: «Wir sprechen hier von einem unglaublichen Potenzial. Was man bei ihm oft unterschätzt, ist die Geduld, die er hat. Ohne diese Geduld wäre die Altersguillotine längst gefallen.» Obwohl Paganini das Comeback Federers nicht zeitlich festlegen will, traut er seinem Schützling noch grosse Titel zu: «Du kannst immer alles von ihm erwarten. Er hat eine gesunde Hartnäckigkeit und gibt einfach nicht auf.»