«Plötzlich habe ich viel Zeit»

Bald wird er 85 – endgültig im Ruhestand ist der Musiker aber erst jetzt. Ungewohnt, aber schön! Zumal er nun die Familie ausgiebig geniessen kann. Selbst eine Mitarbeit am Trio-­Eugster-Musical lehnte er ab.

«Nehmen wir den Schleichweg durch den Garten», schlägt Alex Eugster vor und zeigt den Weg, «ich möchte Ihnen etwas zeigen – unsere Terrasse, mein ganzer Stolz.» Tatsächlich: Dieser Ausblick über Fällanden ZH, den Greifensee und noch viel weiter, ist atemberaubend. «Das habe ich dem Lied ‹Oh läck du mir!› zu verdanken», sagt er und lächelt verschmitzt.

«Oh läck du mir!» katapultierte das Trio Eugster 1970 in den Schweizer Musik-Olymp. Detail am Rande: Es ist das einzige Lied, das nicht von Max Rüeger, Fredy Lienhard oder Hans Mehringer, sondern vom Trio selbst getextet wurde. Wie kam es zu dem – gerade für die damalige Zeit – doch ziemlich schrägen Titel? «Wir waren zusammen unterwegs und wollten die Strasse überqueren. Da wurde es rot, und ich sagte ‹Oh läck du mir!›.» Da wurde die Idee geboren, den Ausruf musikalisch umzusetzen. Innert zwei Wochen stampfte das Trio das Lied aus dem Boden, erzählt der 84-Jährige und lacht.

Die Freude an der Musik entdeckte Alex Eugster schon sehr früh. Alle Eugster-Buben waren von klein auf in der Knabenmusik, musizierten und sangen auch daheim. «Unsere Schwester, eine sehr gute Pianospielerin, beglei­tete uns am Klavier», erzählt er. Von der Mutter gefördert, hatten die Buben bald da und dort einen Jekami-Auftritt, waren an einem Knabenmusik-Chränzli «oder an einem Kirchenchor-Fest und machten gern den Löli». So fing alles an.

Fertig mit der Schule, lernte Alex Eugster Klavierstimmer und -bauer. «Alle wollten mir das ausreden, es sei ein Hungerberuf, von dem man nicht leben könne.» Aber es war nun mal sein Traumberuf, und darum setzte er sich durch, allen Warnungen zum Trotz. «Ich war später so froh, meine Ausbildung hat mir viel gebracht!» Wäre da Pianist nicht naheliegender gewesen? «Nein, ich bin kein Pianist. Viele sagen zwar, ich spiele hervorragend. Ich finde das aber gar nicht. Ich cha guet blöffe am Klavier!» Eugster lacht herzhaft und gibt gleich eine Kostprobe. «Ich spiele nicht nach Noten, sondern aus dem Bauch heraus. Nach Gefühl und Stimmung.»

Ein perfektes Musikgehör ist Voraussetzung, um den Beruf des Klavierstimmers ausüben zu können. Lässt einen das bei schrägen Tönen nicht auch oft leiden? «Das ist so. Wenn es nicht stimmt, tut das schon weh.» Aber sein Beruf sei ihm immer wieder nützlich gewesen: «Oft musste ich vor unseren Auftritten erst mal das Klavier stimmen, obwohl im Vertrag ‹gut gestimmtes Klavier› stand.» Viele Male habe er deshalb auf den Znacht verzichtet. «Drum war ich lange so schön schlank.»

Auf Mundart zu singen, das war die Stärke des Trios. Hatten sie nie Ambitionen, auch Deutschland zu erobern? «Auf Anregung von aussen haben wir das mal probiert und produzierten eine CD mit unseren Hits auf Deutsch.» Doch der Erfolg blieb aus, also liessen sie die Finger davon. «Wir hatten schon Auftritte in Deutschland, einmal beim SWR in Baden-­Baden. Wir sangen ‹Jetzt mues de Buuch weg›, da kam bei der Probe der Regisseur zu uns und sagte, er verstehe es einfach nicht: ‹Wieso muss denn der Bub weg?›»

Zwei Millionen verkaufte Tonträger, drei Jahre lang moderierte das Trio auf SRF die Samstagabendshow «Iischtige bitte!»: Die Eugsters haben Schweizer Musikgeschichte geschrieben. Auch heute noch, nach über 50 Jahren, kennt man ihre Lieder. Das macht schon stolz, oder? «Das kann ich nicht beurteilen», winkt Alex Eugster ab, «aber wenn Sie das sagen, dänn bini jetz grad es bitzli stolz.»

Nun schliesst sich der Kreis: Aus dem Mega-Hit «Oh läck du mir!» wird ein Mundart-Musical: eine Hommage ans Trio Eugster.Ab dem 22. September wird es im Theater 11 in Zürich aufgeführt. Drehbuchautor Charles Lewinsky  (u. a. «Fascht e Familie») habe zu ihm gemeint, sie hätten so viele Sachen gemacht, die müsse man doch irgendwie nutzen. So entstand die Idee, ein Theaterstück zu schreiben, einen Schwank. «Dazu unsere Lieder, die Lewin­sky aber alle umgeschrieben hat. Nur die Melodie und der Refrain sind geblieben.»

Keine Geschichte über das Trio soll es werden, sondern eine über die Bewohnerinnen und Bewohner eines Stadtquartiers. «Unsere modifizierten Lieder passen perfekt! Ich bin begeistert und überzeugt, dass die eine super Sache auf die Beine stellen.» Eine Erfolgsgarantie gebe es natürlich nicht, er hoffe einfach, dass es funktioniere. «Das weisst du nie in dieser Branche.» Auf eigenen Wunsch ist Alex Eugster nicht in die Produktion involviert, «das habe ich von Anfang an gesagt». Vor gut drei Jahren haben er und seine Frau Josy ihr Musikstudio in Dübendorf aufgegeben. «Wenig später hatte ich einen Gehörsturz. Daher könnte ich gar nicht mehr arbeiten. Ich höre zwar wieder gut, aber das feine Gehör ist weg.»

Seit dem Tod seines Bruders Guido im April 2021 hat er nicht mehr komponiert. «Bis Ende Jahr dirigierte ich noch den Jodelclub. Aber jetzt bin ich wirklich pensioniert und habe plötzlich viel Zeit.» Das sei noch etwas ungewohnt, fügt er an, aber nun könne er wieder mehr Klavier spielen. «Und ich verbringe gern Zeit mit unseren Enkeltöchtern, fünf und acht Jahre alt, die gleich nebenan wohnen.» Alex Eugster ist auch noch im Kirchenchor, den er vor gut 30 Jahren in Fällanden ge­gründet hat. «Also langweilig wird mir nicht.» Zudem habe er ein neues Hobby: «Ich habe das Kochen für mich entdeckt. Es hät mer richtig de Äärmel inegnoo.»

Im September wird Alex Eugster 85 Jahre alt. Wie fühlt er sich? Er habe schon das eine oder an­dere Zipperlein und spüre, dass er keine 20 mehr sei. «Aber es hat auch seine schönen Seiten, immer vorausgesetzt, man ist gesund.» Ab 80 sei jedes weitere Jahr ein Geschenk. «Solange ich noch eine Flasche feinen Rotwein öffnen kann, ist alles gut. Meine Frau Josy und ich können es wirklich geniessen.»