«Ich zweifle oft an mir selbst»

Obwohl der 
Publikumsliebling oft voller 
Unsicherheiten steckt, sucht 
er sich immer wieder neue 
Herausforderungen. Eine grosse 
Unterstützung ist stets seine Frau Carla – und das Wissen, dass 
sie und seine 
drei Söhne am Ende alles sind, was zählt.

«Möööh!» Mit einem lautstarken «Muh-Konzert» wird Nik Hartmann (43) aus dem Stall begrüsst. «Möööh!», tönt er lautstark zurück und lacht. Der Moderator ist in Hochstimmung: Er darf wieder für «SRF bi de Lüt – Wunderland» die Wanderschuhe an- und losziehen. Auf dem Programm dieses Jahr: das Engelbergertal. Heute schaut er bei Bauer Ueli Schmitter vorbei, dessen Berghof nur mit einem Seilbähnchen zu erreichen ist. Er stellt Hartmann nicht nur seine speziellen Dexter-Rinder vor, sondern tauft gleich noch ein Fohlen auf seinen Namen. Nik plaudert und scherzt, als wäre es sein erster Einsatz.

GlücksPost: Sind Sie − Hand aufs Herz − nicht langsam gelangweilt? Immerhin entdecken Sie schon seit zehn Jahren fürs TV die Schweiz.

Nik Hartmann: Nie. Klar, im Engelbergertal war ich schon etwa viermal, aber ich entdecke immer wieder Neues. Meine Neugier ist so gross wie eh und je. Zudem ist die Crew eingespielt. Die Wochen sind zwar sehr intensiv, aber wir können ganz unaufgeregt schönes Fernsehen machen.

Auf was freuen Sie sich in dieser ­Staffel denn besonders?

Eine alte Liebe zu treffen − den Eiger. Mein Vater hat früher so oft vom Eiger mit seiner Nordwand gesprochen. Wir besteigen ihn, wenn das Wetter passt, über den Mittellegigrat. Die Gipfel, die wir in Angriff nehmen, sind für mich immer das Grösste.

Viel hat Hartmann in den letzten Jahren erlebt und gesehen − und immer wieder hörte er: «Erzählen Sie mal!» Nun tut er es, hat sein erstes Bühnenprogramm geschaffen. Darin nimmt er die Zuschauer mit auf eine Reise durch die Schweiz − erzählt, zeigt Bilder, schlüpft in Rollen. Es sei schön, das Publikum zu spüren. Zudem bekomme auch die Schweiz einmal einen ganz realen Applaus. Sein Bühnendebüt ist − es erstaunt bei seiner Beliebtheit nicht wirklich − ein Erfolg.

Wie aufgeregt waren Sie vor der ­Premiere, wie erleichtert danach?

Brutal erleichtert! Es war eine wahre Tortur bis dahin, ich war dermassen nervös. Zumal viele Freunde und «SRF bi de Lüt»-Kollegen zusahen. Vor Aufregung habe ich zwölf Minuten des Programms einfach vergessen! Jetzt, nach einigen Vorstellungen, ist zum Glück eine gewisse Routine da. Ich brauche etwas Sicherheit, damit ich mich frei bewegen und improvisieren kann.

Dass ausgerechnet Sie so nervös sind – der TV-Routinier …

Ja, aber Lob von aussen ist das eine, ich möchte mir selbst jedoch mehr als nur genügen. Klar, könnte ich so weitermachen und sagen: Es reicht. Aber ich bin nie zufrieden. Ich muss mich selber immer wieder herausfordern, sonst würde es mir langweilig. Ich zweifle zwar oft an mir – und das kann mitunter Bauchweh und Frust auslösen. Wenn ich es dann aber geschafft habe, ist es eine schöne Bestätigung.

Wie wichtig war Ihre Frau Carla bei der Vorbereitung auf Ihr erstes Bühnenprogramm?

Sehr wichtig! Allein schon, weil sie mich hat schreiben lassen und mich ausgehalten hat. Vor solchen Sachen bin ich oft unausstehlich – grantig und dünnhäutig. Aber sie kennt das, nimmt mir auf liebenswürdige Art den Druck: «Du schaffsch das.» Carla ist grundsätzlich viel gelassener als ich, da lerne ich jeden Tag von ihr. Sie kann fast nichts erschüttern. Da ist aber auch eine gewisse Distanz zu sich selbst wichtig: Am Ende wird es immer Abend, und die Welt hat wirklich grössere Probleme.

Fürchten Sie, dass beruflich irgendwann einmal alles vorbei ist?

Nein, nur wenn man keine Angst hat, kann man es geniessen. Bei mir ist es «süferli» aufwärts gegangen, und so wird es wohl auch mal abwärts gehen. Zudem: Ich bin mir bewusst, dass es «nur» ein Beruf ist. Der grösste Teil meines Lebens spielt sich weit weg von Bühne, Fernsehkameras und Glamour ab. Es kommt immer etwas Neues, und im Notfall können meine Kinder mal für mich arbeiten gehen (lacht).

Ehefrau Carla (42) und die Buben Constantin (13), Frederik (10) und Melchior (7) sind Hartmanns Lebensmittelpunkt. Weil der Moderator weiss, dass seine Frau daheim alles im Griff hat, kann er guten Gewissens und mit Freude seinen Job machen. Und sie lässt ihn gerne ziehen, zumal er immer mit Rücksicht auf die Familie entscheidet. «Was in unserem Alltag keinen Platz hat, sage ich sofort ab. Alles andere besprechen wir gemeinsam.» Derzeit ist der Älteste im Theater- und der Mittlere im Tennislager. Carla schaut zu Hause nach Melchior, der eine cerebrale Behinderung hat.

Ihre beiden älteren Buben spielen beide Theater. Ganz der Papi?

Mein Beruf prägt sie bestimmt. Weil ich mit viel Glück zu meinem Traumjob gekommen bin, ist es natürlich manchmal schwierig, für eine Ausbildung zu argumentieren. Ich mache mir heute weniger Sorgen oder Gedanken um meine Zukunft als um ihre. Ob sie mal ­etwas finden, was sie glücklich macht? Uns ist nicht wichtig, dass sie auf irgendein Papier hinarbeiten, sie sollen Freude haben, sich engagieren, Leidenschaft entwickeln.

Haben die beiden denn schon ­Berufswünsche?

Constantin noch nicht, aber das kommt schon noch. Er ist jetzt im ersten Gymnasium-Jahr. Frederik möchte gerne Schreiner werden.

Melchior, Ihr Jüngster, geht in eine spezielle Schule, nicht wahr?

Ja, er ist in der ersten Klasse einer heilpädagogischen Institution und kommt jeweils total «auf den Felgen» heim, aber sehr glücklich. Er hat viele Fortschritte gemacht. Es ist toll, was so ein Kind einer Familie geben kann.

Auch seinen Brüdern, zum Beispiel ­in Bezug auf deren soziale Ader?

Die haben andere Kinder natürlich auch. Aber ich denke schon, dass es eine Schublade an Erfahrungen ist, die unbezahlbar ist. Constantin hat uns in der Betreuung schon eingeholt, was uns auch neue Freiheiten gibt. Er sagt freiwillig und auf eine tolle Art: «Geht ihr nur, ich bringe Melchior ins Bett und schaue zu ihm.» Er meistert das extrem gut. Frederik ist natürlich noch etwas kleiner, aber wir können die drei Buben jetzt auch mal alleine lassen.

Hätten Sie das gedacht, als damals die Diagnose kam?

Damals habe ich mir gar nicht solche Gedanken gemacht. Mit so einem Kind lebst du extrem im Moment, du planst nichts und hast einfach Freude an allem Neuen, was dazukommt. Und wenn es Probleme gibt, nimmst du sie an. Man muss flexibel bleiben. Von aussen betrachtet hat unsere Familie vielleicht Einschränkungen, dass wir nicht spontan mal schnell ein Wochenende wegfahren können, zum Beispiel. Man kann aber auch sagen: Wir müssen das nicht tun, haben diesen Stress nicht, immer etwas machen zu müssen.

Diesen Sommer verreisen Sie sogar in die USA.

Ja, seit 13 Jahren geht es erstmals wieder nach Übersee, drei Wochen fahren wir durch Kalifornien. Carla und ich haben uns gedacht, wenn wir das jetzt nicht machen, verschieben wir es doch immer wieder.

Das setzt bestimmt viel Planung ­voraus.

Ja, es ist ein riesiger Aufwand. Wir reisen natürlich anders als eine Familie mit drei normal entwickelten Kindern. Wir brauchen einen Rollstuhl, müssen den Spezialsitz fürs Auto mitnehmen und mit den Hotels viel organisieren − eine Generalstabsübung. Spontane Ausflüge liegen eher weniger drin, aber die Hauptsache ist ja sowieso, dass wir zusammen sind. Es ist eine Herausforderung, aber ich weiss, dass es uns allen etwas bringt, wir können nichts verlieren.