
Nik Hartmann
«Ich bin erwachsen geworden»
Er hat ein volles Arbeitspensum und ist bald schon wieder am TV zu sehen. Zuoberst steht für den Moderator aber die Familie, für die er immer da ist. Speziell sein behindertes Söhnchen erfordert viel Aufmerksamkeit.
Gerade noch erwischt! Nik Hartmann (39) fährt nämlich in die Ferien. «Ins Engadin», erzählt er. Mit dabei natürlich seine Liebsten: Ehefrau Carla (39) und die Buben Constantin (9), Frederik (6) und Melchior (im März 3). Danach geht es wieder richtig los: mit einer neuen «SF bi de Lüt»-Sendung und der zweiten Ausgabe des Musikwettbewerbs «Alpenrose 2012 – Die Schweizer Volksmusik-Show».
Was fasziniert Sie an «Alpenrose»?
Nik Hartmann: Das sind grosse Emotionen! Wenn jemand all seine Gefühle in ein Lied packen kann, sich bei einem Sieg freut – das berührt das Publikum zu Hause, und es fiebert mit.
Glauben Sie, die Sendung bringt auch den Sängern etwas?
Da muss man ehrlich sein: Wir machen in erster Linie Fernsehen. Aber die Talente dürfen sich präsentieren. Ob sie sich im Musikmarkt behaupten? Das können wir nicht beeinflussen. Aber Carina Walker, Siegerin 2011, hat bewiesen, dass es funktioniert, gewann im «Musikantenstadl» den Nachwuchspreis. Volksmusiker haben allgemein bessere Chancen auf Auftritte als etwa Rocker, die einen Sattelschlepper fürs Equipment brauchen.
Hören Sie denn selbst Volksmusik?
Die Gretchenfrage! Ich glaube nicht, dass ich das als Moderator muss. Im richtigen Rahmen höre ich sie aber gerne. Es gibt keinen schlechten Musikstil, nur schlechte Lieder. Mich kann ein Jodellied oder eine Ländlerkapelle sehr berühren. Privat höre ich, auch DRS3-bedingt, vor allem aktuelle Sachen, Independent Rock habe ich zum Beispiel extrem gern.
Sie selbst spielen Querflöte.
Ja, ich bin knapp am Berufsmusiker vorbei geschrammt! Mit 20 war ich sehr ambitioniert und kurz davor, in den USA das Berkeley College of Music in Boston zu absolvieren, damals die Talentschmiede schlechthin. Heute bin ich froh, es nicht getan zu haben. Die ganze Leidenschaft auf ein Thema zu fixieren, das könnte ich nicht. Mir wäre wahrscheinlich nach drei Jahren als Flötist langweilig geworden.
Was für eine Rolle spielt Musik bei Ihnen zu Hause?
Eine grosse! Wir musizieren viel: Nebst der Querflöte habe ich auch ein Klavier. Schlagzeug will ich demnächst anfangen zu lernen. Constantin spielt Blockflöte, Frederik noch kein Instrument, er singt aber.
Wie geht es Ihren Buben?
Bestens. Constantin geht in die dritte Klasse, Frederik in den Kindergarten. Es sind aufgeweckte Buben. Frederik hatte einen richtigen Energieschub, als er seine Harry-Potter-Brille bekommen hat – übrigens sein ganzer Stolz. Wir haben etwas spät gemerkt, dass er schlecht sieht. Eltern, macht mit euren Kindern einen Sehtest (lacht)! Und nun wollen Sie sicher wissen, wie es Melchior geht.
Erraten!
Es geht ihm, den Umständen entsprechend, sehr gut. Er hat diese cerebrale Behinderung, aber wir wissen, wer er ist und was er kann. Was er nicht kann, interessiert uns nicht. Das ist unsere Einstellung, und die hilft uns extrem und ihm auch. Schwierig ist es nur manchmal nachts, wenn er nicht schlafen will.
Wie müssen wir ihn uns denn vorstellen? Wie weit ist er?
Er sitzt, aber er weiss nicht warum – um es überspitzt zu sagen. Es ist, als ob ein Chip fehlt, der ihm sagt, wie er etwas tun muss. Er ist weniger weit als andere Kinder in seinem Alter, aber wir wollen ihm alle Optionen offen lassen, sich zu entwickeln. Er wird nie deren Stufe erreichen, aber er ist fähig, Sachen zu lernen und hat keine Fehler, die seine körperlichen Fähigkeiten einschränken würden, etwa mit Herz oder Lunge. Er reagiert auf seine Art auf uns und hört mir wahnsinnig gerne zu, wenn ich Klavier spiele – als Einziger übrigens (lacht).
Wie gehen seine beiden Brüder mit ihm um?
Ungeheuer herzig! Seine Behinderung hat uns allen eine neue Schublade geöffnet. Ich habe zum Beispiel viel weniger Berührungsängste zu Menschen, die vielleicht nicht ganz der Norm entsprechen. Ich verstehe Leute, die eine Abwehrhaltung haben – die hatten wir auch. Wenn wir Eltern mit solchen Kindern gesehen haben, dachten wir: «Jesses Gott!» Jetzt nimmt Melchior zwar viel Platz in unserem Leben ein, aber wir arrangieren uns jeden Tag neu.
Bekommen Sie Hilfe?
Familie und Freunde unterstützen uns wahnsinnig. Wir sind in einer privilegierten Situation, auch, weil wir uns so ein Kind leisten können. Nicht allen geht es so gut, und solchen Eltern sollte geholfen werden. Ich bin da etwas zum Kämpfer geworden.
Sie arbeiten viel. Haben Sie Ihrer Familie gegenüber manchmal ein schlechtes Gewissen?
Nein, so schlimm ist es gar nicht. Es liegt in der Natur der Sache, dass ein Elternteil arbeiten muss. Und noch wissen meine Kinder, wer vor ihnen steht, wenn ich zur Tür hereinkomme. Im Ernst: Kommunikation ist alles, ich will immer wissen, was läuft, auch wenn ich weg bin. Und würde ich merken, dass bei den Buben oder Carla nicht mehr alles im Lot ist, würde ich sofort reagieren. Ich bin dank meinen Jobs flexibel, bin da, wenn es mich braucht.
Hat Melchiors Behinderung Ihren Blick fürs Wesentliche geschärft?
Ich mache mir schon mehr Gedanken, auch in philosophischer Hinsicht. Das hat aber nicht nur mit Melchior zu tun, sondern mit dem Alter. Ich bin erwachsen geworden – was ich nie wollte! Doch ich habe festgestellt: Es ist gar nicht so schlimm (lacht).
Sie und Ihre Frau scheinen alles im Griff zu haben.
Ich bewundere Carla sehr für ihre Gelassenheit, mir ist ein Stück davon abhanden gekommen. Das stinkt mir. Ich nehme alles wahnsinnig wichtig. Mein Beschützerinstinkt ist, was nicht schlecht ist, noch mehr gewachsen, aber auch das Gefühl, angreifbarer geworden zu sein.
Sie beide wirken immer sehr glücklich. Gibt es ein Ehe-Rezept?
Nein, aber ein Ritual: Wir trinken vor dem Schlafengehen immer einen Kaffee auf unserer Terrasse und reden – bei jedem Wetter. Auch die Mahlzeiten sind uns wichtig, dreimal täglich wird gemeinsam gegessen. Ich versuche, mindestens zweimal da zu sein.
Wer fehlt, ist Ihre Hündin Jabba, die im November gestorben ist.
Das war sehr traurig. Auch die Buben vermissen sie ganz fest. Ihr Körbchen steht noch da, Hallbart, unser Kater «pfuset» jetzt dort.
Wollen Sie wieder einen Hund?
Ganz klar. Das täte auch Melchior gut und den Grossen sowieso. Ein Hund gibt unglaublich viel. Auch Arbeit. Zurzeit wäre es uns etwas zu viel, deshalb warten wir noch.
Mit Jabba wanderten Sie «Über Stock und Stein». Ist eine Nachfolgesendung geplant?
Es ist noch einiges offen. Nur so viel: Im März werde ich wieder mit festem Schuhwerk auf dem Parkplatz des Fernsehens erwartet. Ich freue mich riesig.
Zum Schluss: Wovon träumen Sie?
Ich will am TV immer derselbe Mensch sein wie zu Hause, nur dann kann man gute Unterhaltung machen. Deshalb wünsche ich mir Gelassenheit, denn es ist unmöglich, alle Sorgen nach 20Uhr zu vergessen, nur weil die Show losgeht. Privat wünsche ich mir, dass wir alles immer mit der ganzen Familie machen können, wir uns nicht im Kopf schon einschränken. Mein Traum wäre, einmal gemeinsam für ein halbes Jahr nach Afrika zu gehen, ein für mich faszinierender Kontinent.