«Meine Zeit will ich nicht verschwenden»

Todesangst, Frauengeschichten, Kinoerfolge: Ein bewegtes Leben liegt hinter dem Filmstar, der nun seinen 90. Geburtstag feiert. Obwohl ihn Gedanken an den Tod immer wieder umtreiben, will er sich sein Dasein dadurch nicht vermiesen lassen.

Darf’s ein Grab in München sein? Oder doch lieber in seiner Heimatstadt Mayen? Kurios, aber wahr: Gleich drei Friedhöfe buhlen um Mario Adorf. «Schuld» sind sein Legenden-Status – und das stolze Alter: Am 8. September feiert der Schauspieler seinen 90. Geburtstag. Was er sich früher kaum vorstellen konnte. «Ich habe immer gesagt, wenn ich das Jahr 2000 erlebe, wäre das eine tolle Sache.»

Seine robuste Gesundheit schreibt Mario Adorf den Genen zu. «Ich schwimme gerne, aber sonst mache ich nichts für die Fitness», erzählte er in Interviews rund um «Es hätte schlimmer kommen können», die letztjährige Kino-Doku über sein Leben. «Es erstaunt mich selbst, wie gut es mir geht, ohne dass ich etwas dafür machen muss. Auch da hatte ich grosses Glück.» Wenn er heute zurückblickt, stellt er fest, dass das Glück ihm oft hold war, auch wenn er es in den Momenten selbst nicht immer so wahrgenommen habe.

Adorf wurde als uneheliches Kind geboren, lebte mit seiner Mutter in ärmlichen Verhältnissen. Um sich und ihren Bub über Wasser zu halten, musste sie als Näherin hart arbeiten, ihn deshalb zeitweise ins Waisenhaus geben. «Ihre Kraft hat mich sehr beeindruckt. Sie hat immer versucht, das Beste aus allem zu machen, auch für mich.» Erschwerend kam der Krieg dazu, mit Todesangst im Bombenhagel und jahrelangem Hunger, wie er es beschreibt. Dennoch: Er machte Abitur, studierte, bekam erste Jobs beim Theater. Der Film «Nachts, wenn der Teufel kam» machte ihn 1957 bekannt, Rollen in Deutschland, Italien und Hollywood folgten. «In dem Moment, in dem ich mich für meinen Beruf entschieden hatte, ging es zügig weiter –ohne Karriereeinbrüche, Krisen oder Krankheiten.»

Adorf lebte 40 Jahre in Italien, genoss das Leben auch in Bezug auf die Frauen. «So war das damals in den 60er-Jahren. Eine sehr offene Zeit, in der man sehr schnell und sehr häufig Beziehungen begann und wieder auflöste. Das hatte damals tatsächlich etwas von sportlichem Gehabe.» 1964 scheiterte seine erste Ehe nach nur einem Jahr, aus dieser stammt seine Tochter Stella-Maria (57). Seine heutige Frau, die Französin Monique (76), lernte er vor 50 Jahren kennen, aber auch da war es mit den Bettgeschichten nicht vorbei – dazu steht er. «Erst einmal waren wir 17 Jahre zusammen, ohne verheiratet zu sein. Das hiess allerdings auch, dass wir beide, nicht nur ich, auch schon einmal andere Wege gegangen sind.» Nach dem ersten Seitensprung fange eine Beziehung erst richtig an.

Nach wie vor ist Adorf sehr glücklich mit Monique, mit der er in St-Tropez und in München lebt. «Sie ist schön, klug und hat mich nie eingeengt. Unsere Ehe war immer voller Harmonie», schwärmt er. «Sie hat einfach immer gute Laune in mein Leben gebracht.» Besonders wohltuend für ihn: Sie interessiere sich kaum für seinen Job. «Zu Hause kann ich einfach nur ich selbst sein.» Mit Monique wird er nun wohl auch seinen 90. Geburtstag feiern. Wünsche habe er keine mehr. «Nur ein angenehmes, gesundes Alter, einen guten Schlaf. Und einen sanften Tod.» Angst mache ihm dieser nicht, eher fürchte er das Sterben, dass es schmerzhaft werden könnte. Er versuche aber, nicht zu oft daran zu denken, wolle sich den Rest des Lebens dadurch nicht vermiesen. «Ich habe irgendwo etwas von ‹Zeitgeiz› gelesen. Dieses Wort hat sich für mich als Lebensmotto eingeschlichen: Ich will meine Zeit nicht verschwenden.»

Und die Sache mit dem Grab? «Eine Entscheidung habe ich noch nicht getroffen. Aber ich bin ja nicht allein, ich habe meine Frau, und eigentlich würde ich zu ihr sagen: Mach’, was du willst mit mir!»