«Meine Welt wurde auf den Kopf gestellt»

In einer Komödienrolle feiert die «Oscar»-Preisträgerin nach ihrer Babypause ein kleines Comeback. Den einstigen Starrummel vermisst sie nicht, sondern schätzt ihre neue Ruhe.

Von Rüdiger Sturm

Und wieder in Flip-Flops unterwegs! Beim Filmfestival von Cannes sorgte Jennifer Lawrence unlängst für Aufsehen, als sie im Galakleid, aber mit Badelatschen über den roten Teppich ging. Jetzt tut es die 32-Jährige bei den Interviews zu ihrer neuen Komödie «No Hard Feelings» erneut. Es sei einfach bequemer, erklärt sie, und habe keine tiefere Bedeutung.

Aber die Wahl ihrer Fussbekleidung ist doch typisch für die «Oscar»-Gewinnerin von 2013. Denn Jennifer Lawrence steht für eine erfrischende Offenheit, von Konventionen lässt sie sich nicht einschränken. Das beweist sie auch mit ihrem aktuellen Film, in dem es vor unverblümten Sprüchen und Gags nur so wimmelt. «Das mag davon kommen, dass ich mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen bin, deshalb bin ich es auch nicht gewohnt, mich wie eine junge Frau zu verhalten», erklärt die Schauspielerin, die wie ihre Filmfigur kein Blatt vor den Mund nimmt. Eine muntere Komödie, mit der sie sich nach einer Pause zurückmeldet. Grund dafür, dass sie sich zwischenzeitlich vom Filmgeschäft zurückgezogen hatte: Sie wollte sich ganz ihrem Anfang 2022 geborenen Sohn Cy und ihrem Ehemann, Cooke Maroney (38), widmen. Den Kunsthändler und Leiter einer renommierten Galerie in New York lernte sie 2018 kennen – 2019 heirateten die beiden.

Dass sie so authentisch geblieben ist, liegt auch daran, dass der Erfolg nie eine Rolle für sie spielte. «Wenn ich an die Zukunft dachte, dann hatte ich immer die gleichen Pläne wie schon als kleines Mädchen. Ich wollte eine Familie haben und Mutter werden. Ich hatte nie das Ziel verfolgt, eine grosse Karriere zu machen.» Oder um es auf etwas andere Art zu umschreiben: «Geld hält mich nachts nicht warm.»

Streng genommen war es sogar der Erfolg, der ihr das Leben schwermachte – ganz besonders zu den Zeiten, als sie durch die erfolgreiche Filmtrilogie «Die Tribute von Panem» zu einer weltweiten Berühmtheit wurde: «Es macht dir Angst, wenn du nicht ungestört aus dem Haus gehen kannst und von allen möglichen Leuten verfolgt wirst. Es ist auch furchtbar störend, wenn jemand von dir im Restaurant verlangt, dass du schnell von deinem Essen aufstehst, damit sie ein Foto machen können. Das ist bizarr. Meine Welt wurde da richtig auf den Kopf gestellt. Als ein normaler Mensch – und ich bin ein normaler Mensch – hast du damit echt zu kämpfen.»

Nicht dass sie deshalb die Schauspielerei in Frage gestellt hätte: «Ich liebe meinen Beruf, und ich könnte mir nie etwas anderes vorstellen. Denn nur er gibt mir Erfüllung. Aber es war traurig, weil ich all das nicht erwartet hatte.» Andererseits gibt sie zu, dass sie auch «enorm viel Glück» hatte und all diese Jahre keineswegs missen möchte. Letztlich fand sie die Lösung, sich abzuschotten. «Ich wollte so privat sein wie möglich.»

Und nach dieser Pause ist sie jetzt auch in der Öffentlichkeit entspannter. Jennifer Lawrence geniesst, wie sie sagt, die Energie des Publikums bei den «No Hard Feelings»-Premieren auf ihrer Pressetour. Und ist froh darum, wenn sie wie ein normaler Mensch behandelt wird. Sichtlich vergnügt erzählt sie vom Erlebnis in einem Restaurant, als ein Kellner ihren grossen Appetit mit einer frechen Bemerkung kommentiert hatte.

Wie sieht sie ihre Medienauftritte von früher nun mit dieser gelassenen Distanz? «Es war so surreal, als aus meinen unbedarften Aussagen in Interviews, die ich vor zehn Jahren von mir gegeben habe, Schlagzeilen wurden. Und die endlosen Wiederholungen des Moments, als ich bei der ‹Oscar›-Verleihung gestürzt bin, wollte ich auch nicht mehr sehen. Ich habe mich mit all diesen Meldungen einfach nicht mehr beschäftigt.»

Wenn sie sich nach der Pause nun wieder auf den Medienzirkus einlässt, dann bewahrt sie sich ihren kritischen Abstand. Bestes Beispiel: ihr Auftritt bei «Germany’s Next Topmodel». Da hatten die Finalistinnen eine Szene aus «No Hard Feelings» nachzuspielen. Anstatt die Glamour-Show zu bejubeln, empfand der Filmstar mit den Mädchen, die enormem Druck ausgesetzt waren, intensiv mit. Gewohnt unverblümt meint sie: «Mir hat sich der Magen umgedreht.»

Doch keine Person hat seit anderthalb Jahren einen grösseren Einfluss auf ihr Leben als ihr Sohn Cy. Für ihn wollte sie ursprünglich länger pausieren, hat auch ihren langjährigen Traum, Regie zu führen, noch verschoben. Doch dem Drehbuch zu «No Hard Feelings» konnte Jennifer Lawrence nicht widerstehen, ihre Lust auf die Schauspielerei war wieder geweckt. Trotz ihrer frechen Sprüche: Sie hütet sich davor, in Fettnäpfchen zu treten, was im Film passiert. «Ich bevorzuge Figuren, die ganz anders sind als ich.»