Ruhestand – aber nur auf der Bühne

Nach Jahrzehnten erfolgreicher Theaterarbeit verabschiedet sich das Schauspielpaar vom Rampenlicht. Im Februar fällt ihr letzter Vorhang, eine Ära endet. Doch die zwei sind bereits ­voller Pläne für die Zeit danach.

Von Aurelia Robles

Es ist eines von vielen Büchern, das neben einer Pinguin-Sammlung im Wandregal von Erich Vock (62) und Hubert Spiess (60) in ihrem Eigenheim in Zürich steht: ein Fotobuch der unzähligen Produktionen der beiden erfolgreichen Theaterleute. «Wir haben schon fast vergessen, was wir alles produziert haben, und wie es ausgesehen hat», sagt Vock. «Eine gewaltige Masse und eine mit Qualität, das wird uns erst beim Durchstöbern wieder bewusst.» Das Paar befasst sich in diesen Tagen auch intensiv mit alten DVD-Aufnahmen, da es Ausschnitte an ihrem Abschiedsfest zeigen will. Am 9. Februar 2025 fällt im Zürcher Bernhard Theater für die Volksschauspieler der letzte Vorhang – und auch für ihre zwei beispiellosen Theaterkarrieren. «Wir denken heute viel mehr an die Endlichkeit des Lebens», sagt Spiess. «Nach dem Ende unserer Arbeitszeit kommt nun die letzte Lebensphase.» 

34 Jahre lang stand Erich Vock (Sitcom «Fertig lustig») auf der Bühne des Bernhard Theaters. Als Paar, sie sind seit 31 Jahren liiert und seit einem Jahr offiziell ­verheiratet, leiteten sie dreissig Jahre die Zürcher Märchenbühne und realisierten mit spock productions Volkstheater wie «Stägeli uf, Stägeli ab», «Ein Käfig voller Narren» oder «Voll­koffer». Diese Ära geht jetzt zu Ende. Die Art, wie Hubert Spiess und Erich Vock zusammen Stücke produziert haben – mit 30 Leuten auf der Bühne in einem Theater mit 396 Plätzen –, wird es so schnell nicht mehr geben. Vor einer ­Woche feierte ihre letzte und ­zugleich ihre erfolgreichste Produktion «Die kleine Nieder­dorfoper» (bereits sind 24 000 ­Tickets verkauft) erneut Premiere.

Seit zwölf Jahren geplant

Den Zeitpunkt für ihren Abschied kennen die beiden Eheleute schon lange. Im Frühling 2013, während einer längeren Auszeit, kommen sie im Hotel nahe der Iguazú-Wasserfälle in Brasilien mit Distanz zu ihrem Alltagsleben auf den eigenen Ruhestand zu sprechen. «Ich schrieb auf, was wir noch an Stücke realisieren wollen und plante diesen irgendwie um das Alter 65 – wenn möglichst etwas früher», erinnert sich Vock. Unlängst existiert auf seinem Computer auch ein Plan, der ab dem 10. Februar beginnt. «Erich ist sehr gut organisiert und so ist eigentlich schon das nächste Jahr verplant», sagt Hubert Spiess lachend. «Ich würde eher dazu tendieren, in den Tag hineinzuleben. Aber ich weiss natürlich, dass man Struktur braucht.» – «Wir waren so strukturiert, da habe ich ‹Schiss›, dass der Abschied kommt, wir dasitzen und nicht wissen, was tun», erklärt Vock. «Es wird auch schmerzlich sein, daher denke ich, tut es uns gut, dass wir uns auf etwas freuen können. Etwas geht zu Ende, etwas Neues fängt an.»

Zweieinhalb Wochen werden sie nach ihrem letzten Auftritt noch in Zürich bleiben. Dann räumen sie ihr Büro. «Am 28. Februar geben wir die Schlüssel ab und setzen uns ins Auto.» Gemeinsam mit Hündin Pata geht es nach Andalusien. Im spanischen Mojácar haben sie seit Jahren ein Domizil. «Ab da füllen wir die Zeit mit uns und mit dem, was wir machen wollen», sagt Vock. Er will viel mehr lesen und wissen, mehr Kochen, viel mehr über Speisen wissen, Leute treffen und Sprachen lernen. Auf dem Programm steht für ihn die Auffrischung von Italienisch, für Hubert Spiess das Erlernen von Französisch – Spanisch haben sie vor Jahren zusammen gebüffelt. Spiess, der Kunstgeschichte studiert hat, will ebenfalls mehr lesen. «Aber auch reisen – und zwar vermehrt in un­serer Umgebung, in der Schweiz.» Aber das Paar wird auch öfter in Elbigenalp, dem Heimatort von Hubert in Tirol, sein, wo es eine alte Bäckerei liebevoll umgebaut hat. «Das Dorf ist bekannt für Schnitzkunst. Daher würde ich gerne noch einen Schnitzkurs probieren und auch gerne mit einer Nähmaschine umgehen können. Wir haben viele Pläne.» Denn auch wenn mit dem Theater eine grosse Gemeinsamkeit sowie auch Freude und Energie wegfällt, ist sich das Paar sicher: «Solange wir beide neugierig bleiben und nie gleich­gültig dem anderen gegenüber werden, gehen uns die Themen nie aus.»

An vielen Orten daheim

Nur eines ist noch nicht «usgjassed», wie Erich Vock sagt: «Ich möchte am Anfang nicht viel in der Stadt Zürich sein, denn damit verbinde ich Arbeit. Ich sehne mich nach geistiger und räumlicher Distanz.» Das braucht auch Hubert Spiess, «aber ich habe diese Stadt wirklich sehr gern und hätte schon etwas Mühe, Zürich ganz aufzugeben.» Vorerst werden sie eine Zeitlang in Spanien sein, dann im Heimatort von Hubert in Österreich. «Und von meiner Familienseite haben wir die Berghütte Hasirüteli im Urnerland. Solange wir noch auf die Alp hochkommen und alles dort oben bewältigen können, möchte ich das geniessen», sagt Vock.

Doch vorerst gilt es noch die letzten Auftritte aufzunehmen und möglichst viel Theaterluft einzuatmen. «Emotional wird es sicher heraus­fordernd. Mein Beruf, das, was ich geliebt habe, ist, abends auf der Bühne zu stehen», sagt Erich Vock. «Den Moment, in dem eine Pointe aufgeht und die Leute lachen, werde ich vermissen. Doch Theater wie auch das Leben sind endlich und Los­lassen ist ein Lebensthema.» Sie hätten ja beide schon Glück gehabt, hätten beide die 60 erreicht.  

Eine Verlängerung ist ausgeschlossen. «Aber unsere Leidenschaft hört nicht auf», sagt Hubert Spiess. «Ich freue mich sehr darauf, dass wir aktive und begeisterte Theaterbesucher bleiben.»