«Meine Mutter ist ein echtes Unikum»

Vor 40 Jahren wurde die Eiskunstlauf-Ikone erstmals Weltmeisterin – auch dank ihrer Mutter, die sie stets unterstützte. Bis heute sind die zwei eine verschworene Einheit.

Adrett, diese Dame, die da mit Denise Biellmann (58) am Waldrand entlangspaziert. Es ist ihre Mutter Heidi – ganz in Rosa. «Ich bin immer bunt gekleidet», erklärt sie. «Und jeden Tag so chic zurechtgemacht», fügt ihre Tochter anerkennend an.

Heidi Biellmann wird Anfang April 90 Jahre alt. Man sieht ihr das nicht an – und sie spürt es nicht. «Ich bin fit, mir tut nichts weh», sagt sie und verrät auch gleich ihr Geheimnis: «Jeden Tag Turnübungen. Und meine Spezialität: Ich dusche jeweils meinen ganzen Körper gezielt heiss und kalt ab, gerade so, dass ich es noch ertrage.» Und die Zürcherin ist stets auf Achse: Jeden Tag putzt sie daheim, geht einkaufen, besucht ihren Freund, kocht bei ihm, und mehrmals pro Woche gibt’s Mutter-Tochter-Treffen mit Denise. «Sie ist ein Vorbild für mich», sagt der Eislauf-Star. «Ihre Lebensfreude, wie sie sich pflegt, ihre Vitalität und Lebendigkeit. Dazu ist sie wahnsinnig direkt. Sie ist ein echtes Unikum!»

Und Heidi ist – neben Lebenspartner Colin (59) – der wichtigste Mensch in Denises Leben, stellte einst auch die Weichen für ihre Sportkarriere. Von klein auf begleiteten Denise und ihre Schwester Silvia († 56) ihre Mutter, die Hobby-Eisläuferin war, auf die Eisbahn. Schnell wurde das Talent von Denise entdeckt. Heidi trainierte sie, tat aber noch viel mehr als das. «Sie fuhr mich hin und her – aufs Eis, ins Ballett- und Konditionstraining. Und weil Eislaufen ein relativ teurer Sport ist, arbeitete sie abends als Telegrafistin und trug nachts Zeitungen aus. Ich bin ihr wahnsinnig dankbar dafür.» Sie habe halt tagsüber für die Kinder da sein wollen, sagt Heidi nur. Zu viel sei ihr das nie geworden: «Überhaupt nicht! Es wurde ja auch immer besser, Denise feierte Erfolge, wir sind nach Asien, Europa, in die USA, also um die ganze Welt gereist.»

Ein Eislaufmami, das ihre Tochter mit der Peitsche antreibt, war sie nie. Im Gegenteil: Oft musste sie Denise fast vom Eis zerren. Das gemeinsam Erlebte schweisste sie eng zusammen. «Es konnten 18 000 Menschen im Publikum sitzen, ich habe meine Mutter immer gleich entdeckt. Irgendwie gab sie mir Sicherheit und Stärke. Ohne sie wäre ich nicht Weltmeisterin geworden.» 1981 – im Jahr nachdem sie Kür-Olympiasiegerin wurde – passierte dies erstmals bei den Amateuren, elf Profi-WM-Titel sollten folgen. Nebst vielen weiteren Auszeichnungen wurde sie 1995 zur Sportlerin des Jahrhunderts gewählt und zweimal zur Schweizer Sportlerin des Jahres. Heidi: «Wir hatten tolle Zeiten zusammen!»

Und auch schwere Zeiten meisterten sie. Denises Vater starb 2004, ihre Schwester 2015. Umso grösser ist die Angst bei der Eislauf-Ikone, irgendwann auch ihre Mutter zu verlieren: «Klar, beschäftigt mich das, es wird sehr einschneidend für mich werden. Ich hoffe einfach, sie wird noch lange da sein. Mami sagt das auch: ‹Ich muss für Denise noch ein bisschen bleiben.›»

Zu viele Gedanken verschwenden beide aber nicht daran, lieber geniessen sie das Jetzt. «Hast du heute schon gelebt?», ist Heidis Motto. Das hat sie Denise mit auf den Weg gegeben – die es für sich noch erweitert hat: «Hast du heute schon gelacht?» Jeden Tag versuche sie, sich kleine glückliche Momente zu schaffen: vor dem Training kurz im See schwimmen, in die Natur gehen. Denise ist gut beschäftigt. Sie trainiert junge Spitzensportlerinnen, ist täglich auf dem Eis. Und daneben stellt sie sich immer mal wieder neuen Herausforderungen. So war sie 2020 Kandidatin bei «The Masked Singer Switzerland», demnächst fordert eine junge Schweizer Eisläuferin sie in «Klein gegen Gross» (20. 3., 20.10 Uhr, SRF 1) im Pirouetten-Drehen heraus. Fehlt ihr etwa das Rampenlicht? «Das ist es nicht. Aber ich bekomme oft solche Anfragen und finde es spannend, in andere Welten hineinschauen zu dürfen. Da geht’s dann nur um den Spass. Wobei ich davor immer etwas nervös bin – aber das gibt mir ja auch einen gewissen Kick!», erzählt sie.

Klar, dass bei «Klein gegen Gross» auch Heidi Biellmann vor dem Fernseher sitzen wird. Stolz auf ihr Kind? «Sehr!», sagt sie, bevor das Duo wieder von dannen zieht. Neben den Erfolgen sei ihre Tochter einfach ein lieber Mensch. «Und sie ist in ihrer Art jung geblieben – genau wie ich!»