Job gekündigt für ein Herzensprojekt

Ein Händchen für interessante Rollen: Das hat der Basler Schauspieler. Nach der Darstellung eines Travestie-Stars in «Der Kreis» begeistert er uns nun im Kino als Umweltaktivist Bruno Manser.

Zwei Plastikbecher begleiten uns während des ganzen Treffens mit Sven Schelker (29) am Rheinufer in Basel. Sie sind symptomatisch für das Umweltbewusstsein, das der Schauspieler nicht nur, aber auch durch seine Hauptrolle in der Verfilmung von Bruno Mansers Leben entwickelt hat.

Der Film über Mansers Leben und Kämpfen mit und für das Urwald-Volk der südostasiatischen Penan passt so gut zu den aktuellen Debatten über den Klimawandel, dass man meinen könnte, er sei mal eben rechtzeitig aus dem Hut gezaubert worden. Doch dem ist nicht so: Der Schweizer Regisseur Niklaus Hilber arbeitete zehn Jahre an dem Projekt, dessen Uraufführung das Zürcher Filmfestival 2019 eröffnete. «Es ist tragisch, dass das Thema genauso aktuell ist wie vor all den Jahren – wenn nicht noch viel dringender», meint Schelker.

Tränen flossen bei der Premiere von «Bruno Manser – die Stimme des Regenwaldes» (ab 7.11. im Kino). «Das ist nur natürlich, wenn man so lange an einer Idee arbeitet und sie dann endlich gelungen ist», erläutert der Basler. Zudem sei es für die zwei Hauptdarsteller aus dem Volk der Penan besonders berührend gewesen, da es um ihr Volk, um ihr Überleben geht. «Ich bin überzeugt, dass man den Menschen das Ausmass und die Auswirkungen der Urwaldzerstörung mit einem emotionalen Spielfilm sehr viel näher bringen kann als mit Nachrichten oder schlichten Informationen.»

Zusammen mit Regisseur Hilber lebte Sven Schelker drei Wochen bei den Penan, die immer noch im inzwischen zu 90 Prozent abgeholzten Regenwald des Staates Sarawak auf der Insel Borneo leben. Darunter waren sogar einige Ureinwohner, die Manser noch gekannt haben. «Als ich da unten war, konnte ich Mansers Faszination für dieses Leben nachvollziehen. Es ist diametral entgegengesetzt zu unserem Lebensentwurf hier. Da kommt einem der Dschungel schon paradiesisch vor.» Er könne sich mit der Sehnsucht, sich der westlichen Gesellschaft zu entziehen, identifizieren. «Der Gedanke ist schon sehr reizvoll. Nur war der Wunsch bei mir nie so stark, dass ich so etwas durchgezogen hätte.»

Bereits als Kind war Schelker mit Manser konfrontiert worden. Nicht nur, weil sie beide Basler sind. «Ich war mir seiner Geschichte immer sehr bewusst, kann mich erinnern, dass ich mit meiner Mutter an einer Penan-Ausstellung gewesen bin, die Manser initiiert hatte.» Durch die Auseinandersetzung mit dem Stoff für seine Rolle sei sein Respekt für den heute als verschollen geltenden Manser nur gewachsen. «Zu sehen, was er alles gemacht hat und was er und sein Wirken für die Penan heute noch bedeuten – davor habe ich grosse Demut.»

Für diesen Film kündigte Schelker vor zwei Jahren seinen Vertrag mit dem Hamburger Thalia Theater, zu dessen Ensemble er seit 2012 gehörte. «Solche zeitaufwendigen Projekte kann man nicht neben der Arbeit im Ensemble machen.» Zurzeit spielt er als Gast weiter auf dieser renommierten Hamburger Bühne. «Der Zustand passt mir gut. So habe ich mehr Möglichkeiten zu drehen.» Und er mag sein Leben in der norddeutschen Hafenstadt. «Ich liebe die direkte, offene Art der Hamburger. Das macht alles so einfach. Ich fühlte mich da von Anfang an sofort wohl.»

Während wir an einem Tischchen am Rheinufer sprechen, beginnt es zu regnen. Unsere Becher sind noch fast voll. Da es keine Wegwerfbehälter sind, sondern solche aus festerem Plastik mit Pfand darauf, nimmt Sven seinen wie selbstverständlich mit. Das scheint nur angebracht nach dem Gespräch über Manser, den verheerenden Verlust des Regenwaldes und die aktuelle Umweltzerstörung durch den Menschen.

«Es bräuchte schon eine fette Ignoranz, wenn man nach so einem Projekt zurückkommt und einfach weitermacht wie bisher», sinniert Schelker. «Der Zustand unserer Welt hat viel mit dem Handeln jedes Einzelnen zu tun. Unser Lebensstil hat Folgen. Sich dessen bewusst zu werden und zu handeln, ist ein langer Prozess.» Von niemandem würde verlangt, seinen Standard sofort komplett zu ändern. «Doch wir können als Konsumenten so viel beeinflussen mit unserem Einkaufszettel. So gesehen leben wir in einer spannenden Zeit.»

Für ein letztes Foto spazieren wir noch weiter weg von unserem ursprünglichen Treffpunkt, dem Openair-Café am Rhein. Die Plastikbecher sind nach wie vor dabei. Beim Verabschieden versprechen wir Sven, dass wir auch seinen zurückbringen werden. Zum Glück müssen wir sowieso in diese Richtung – unser Auto steht da …