«Irgendwie geht’s immer weiter»

Im schwierigsten Moment verliess die Bernerin SRF, bereut hat sie es jedoch nie. Zumal sie nun die Möglichkeit hat, einen Traum zu leben – dem allerdings ein Albtraum vorausging.

La La La La Lago Mio», singt Susanne Kunz (44) auf der Bühne des Theater 11 in Zürich. Hin und wieder geben Regisseur und Choreograf ihr und ihren Kolleginnen und Kollegen Anweisungen, denn noch sind die Zuschauerränge leer. Oder fast leer: Ein Platz ist von Alex Eugster besetzt. Aufmerksam beobachtet der 85-Jährige das Geschehen. Zufrieden mit der Darbietung von Kunz, mit der wir in einigen Minuten verabredet sind? «Sehr, sie macht’s gut», lobt er. «Alle hier erbringen eine wahnsinnige Leistung, es ist teilweise gewaltig, was da für eine geballte Kraft auf einen zukommt. Ich sauge es so richtig in mich auf.»

Verständlich: Immerhin wird hier das Musical «Oh Läck du mir!» geprobt, ein Mundart-Stück mit den Liedern seines Trio Eugsters, das diese Woche Premiere feiert (siehe Box). Die Geschichte spielt Anfang der 70er-Jahre und dreht sich um Trudi, die gegen einen Immobilienhai kämpft, der ihre Beiz im wahrsten Sinne des Wortes plattmachen will. Geschrieben hat es Charles Lewinsky, der Alex Eugster die Idee dann auch unterbreitet hat. «Ich fand’s mutig», gibt er zu. «Ich hoffe, die Zuschauer kommen dann auch. Am Stück selbst habe ich nie gezweifelt – da sind Spitzenleute am Werk.» Er selbst wollte von Anfang an nicht mitmischen. «Ich bin lieber auf der Zuschauerseite. Für solche Belastungen bin ich zu alt, das möchte ich nicht mehr.»

Für Susanne Kunz, die Trudi spielt und sich mittlerweile dazugesellt hat, ist es eine Belastung schönster Art. «Es ist ein Traum und auf der Bühne die gröscht Chischte, die ich bisher gemacht habe», erzählt sie noch etwas ausser Atem. «Aber klar, es ist schon anstrengend: Wir proben acht, neun Stunden pro Tag, sechs Tage die Woche. Die Songs sind anspruchsvoll arrangiert, mehrstimmig, dazu das Tänzerische. Aber ich fühle mich wie ein Fisch im Wasser: Es macht so viel Freude, und ich kann extrem viel lernen.»

Vor knapp drei Jahren hat sie die Moderation von «1 gegen 100» abgegeben und den sicheren SRF-Hafen verlassen, um sich auf die Schauspielerei zu konzentrieren. Ausgerechnet, als es mit Corona losging! «Wie alle anderen war ich vor den Kopf gestossen. Bereut habe ich meine Entscheidung aber nie, weil es genau das war, was ich wollte. Zum Glück wusste ich nicht, was da kommt, sonst wäre ich womöglich in der Sicherheit festgeklebt! Dann wäre so etwas wie hier nie möglich gewesen.»

Aber ist ihr Leben durch den Wechsel nicht anstrengender geworden? «Siiicher», sagt sie. «Ich bin jetzt freischaffende Schauspielerin, das ist nun mal mit Unsicherheit verbunden – oft weisst du nicht, was als Nächstes kommt. Aber irgendwie geht’s immer weiter.» Während der Coronaphase habe sie Glück gehabt: Nur eines ihrer Projekte sei abgesagt worden. Positiv sei gewesen, dass die Situation zum Nachdenken anregte – dass man nicht einfach planen und sich dann ausruhen konnte. «Das führt zu einer gewissen Flexibilität. Und es zeigte, dass man innere Stabilität braucht, wenn die äussere auseinanderfällt.»

Berufliche Unsicherheit: Ein Thema, mit dem sich Alex Eugster nicht mehr herumschlagen muss. «Jetzt sowieso nicht: Susanne spielt ja für mich ein Musical, da habe ich wieder Einkommen», witzelt er. Bei ihm sei es früher aber generell anders gewesen. Er und seine Brüder Guido († 2021) und Vic (82) hätten mit nichts ausser ihrem Traum angefangen. Alle drei arbeiteten in ihren gelernten Berufen – Alex als Klavierstimmer und -bauer – und traten nur nebenbei als Trio Eugster auf. «Als ‹Oh läck du mir!› 1970 zum Hit wurde und wir unseren Durchbruch hatten, war ich schon 33. Danach ging es dann kontinuierlich bergauf, da mussten wir keine Angst mehr haben.»

Eine Zeit, in der Susanne Kunz noch ein Mädchen war – und das Trio Eugster mit den Eltern im Auto hörte – oder daheim eine Single auf dem Plattenspieler. So habe das Trio sie durch die Kindheit begleitet. Spielte sie die Lieder einst auch ihrem Sohn (16) und ihrer Tochter (11) vor? «Nein, ich hörte da eher Grunge und Heavy Metal. Das Trio ist bei mir irgendwie in den Hintergrund gerückt. Umso schöner, dass es jetzt wieder hier ist. Ich freue mich sehr, wie schön die Songs fürs Musical arrangiert und in die heutige Zeit geholt worden sind.»

Alex Eugster geht es genauso. Gleichzeitig ist es für ihn auch ein Abtauchen in vergangene Zeiten. Mit gemischten Gefühlen. Es sei auch Wehmut dabei. Während Bruder Vic, der gesundheitlich zwar Probleme hat, die Premiere mit ihm besuchen wird, kann Guido all das nicht mehr miterleben. «Das macht mich traurig. Sein Tod war einschneidend. Ich habe seither keinen Ton mehr geschrieben.» Er höre bestimmt von oben zu, sagt Susanne Kunz tröstend. «Ich hoffe es.» Neben der Trauer ist da aber auch viel Freude, diese Hommage ans Trio beflügle ihn. «Ich darf gar nicht sagen, wie stolz ich bin. Sogar meiner Frau gefällt es – das will was heissen. Es ist schön, wie Erinnerungen wiedererwachen. Ich freue mich, dass es nun bald losgeht.» Susanne Kunz geht es genauso, wobei bei ihr etwas mehr Aufregung dabei ist. «In der ersten Probewoche hatte ich einen Albtraum: Ich war noch im Wald, als das Stück losging», erzählt sie und lacht. «Klar, ist Respekt dabei, wenn ich an die Premiere denke, aber es wird gut werden, da bin ich sicher!»