«Ich erkenne mich selbst kaum wieder»

Das war mutig: Letztes Jahr verliess der Publikumsliebling den sicheren SRF-­Hafen und wechselte zum Privat­fern­sehen. Ein Schritt, den er nicht bereut, der aber viel Veränderung mit sich brachte – und auch schwierige Zeiten. Jetzt ist er mit neuer Sendung zurück.

In der ganzen Schweiz Sonne», heisst es im Radio. Freude herrscht – bis zur Einschränkung: «Am Zugersee Nebel». Und so erwartet uns eine triste Morgenstimmung, als wir wenig später bei Nik Hartmann (48) klingeln. Immerhin nur wettertechnisch: Er ist gut gelaunt. Und das trotz unruhiger Nacht für ihn und Ehefrau Carla (48). Ihr Jüngster, Melchior (bald 12), der eine zerebrale Behinderung hat, habe sie sehr früh geweckt. Ihre älteren Söhne sind nicht da. «Frederik macht eine Schnupperlehre, Constantin ist in den Skiferien», erzählt der Moderator. Reisen ist ein gutes Stichwort: Der frühere «SRF-­Wanderer» ist wieder unterwegs – diesmal für den TV-Sender 3+, der zu CH Media gehört. Dort ist er seit Sommer 2020 Co-Verantwortlicher für die Eigenproduktionen. In «Abenteuerlustig» geht es für ihn und Comedian Claudio Zuccolini (50) auf Ent­deckungsreise um die Welt – inklusive Herausforderungen. Da kann es dann mal vorkommen, dass «Zucco» bauchtanzen und Nik auf Italienisch – was er nicht spricht – Puppenspielen muss.

GlücksPost: Es scheint, dass diese Sendung lustiger wird als Ihre vorherigen. Ist das so?
Nik Hartmann: Sie hat einen ge­wissen Fremdschäm-Faktor, teils kann ich selbst kaum hinschauen (lacht). Aber es geht immer darum, in fremde Welten einzu­tauchen, spontan Leute zu treffen. Im übertragenen Sinne möchte ich Ohr und Fragekatalog des Publikums sein, da erfinde ich mich nicht neu. Und wir spielen nicht die Clowns. Sagen wir es so: Ich bin lustiger, als man es vielleicht erwartet, Claudio ist ernsthafter, als man ihn kennt.

Sie müssen sich diversen Herausforderungen stellen. Das erinnert ein bisschen an Joko und Klaas, die Ähnliches auf Pro 7 machen.
Es liegt auf der Hand, dass man an die beiden denkt. Aber davor gab es schon Dick & Doof und in England Ant & Dec. Solche «Buddy-Formate» sind sicher nicht neu. Aber sie sind geprägt von denen, die sie machen.

Sie haben mit Claudio Zuccolini erstmals einen Partner an der Seite, und statt auf Wanderschaft geht es in andere Länder.
Ja, wieder zu wandern, wäre auch etwas billig gewesen. Mir war wichtig, unterwegs zu sein, und das nicht mehr alleine. Da kam mir plötzlich Claudio, den ich schon lange kenne, in den Sinn. Innert fünf Minuten habe ich ihn angerufen, und er hat in drei Minuten zugesagt. Zack, das war’s, so musste es sein.

Früher hatten Sie das SRF im Rücken. Müssen Sie beim Privatfernsehen nun mit weniger Mitteln auskommen?
Klar, man muss solche Formate finanzieren können, das ist eine Schwierigkeit. Ich habe da den Vergleich aber nicht, da ich neu auf dieser Seite stehe. Von der Produktion und der Qualität her ist es absolut gleich. Es kommt auf eine gute Equipe an. Wobei diese Sendung etwas kompromissloser ist. Das gefällt mir.

Inwiefern kompromissloser?
Ich war beim Öffentlich-Recht­lichen schon etwas vorsichtiger, was ich sage. Es ist deshalb jetzt noch ein bisschen authentischer. Ächli dräckiger (lacht).

Sie sind vom SRF erfolgsverwöhnt. Was haben Sie für Ansprüche an diese Sendung?
Der Mensch ist ein Gewohnheitstier. Deshalb muss man auf diesen Kanälen härter arbeiten, damit das Publikum einschaltet. Ich bin gespannt und auch etwas nervös. Nicht wegen der Frage, ob die Sendung gefällt – diejenigen, die sie schon gesehen haben, hatten eine Riesenfreude. Aber ob die Leute es entdecken? Ich hoffe es und bin meinem neuen Arbeit­geber den Beweis schuldig, dass es klappt. Um meinen persönlichen Erfolg geht es nicht. Den hatte ich ja, deswegen habe ich nicht gewechselt. Ich wollte die Herausforderung, Dinge bewegen, neue Farben ins Spiel bringen, und das tun wir nun mit dem Format.

Das dürfte in der Coronazeit gar nicht so einfach gewesen sein.
Nein, vor jeder Sendung waren wir wie auf Nadeln, ob wir überhaupt reisen können. Das war die grösste Challenge! Zum Glück hat es immer geklappt, und wir sind gesund zurückgekommen.

Was hält Ihre Familie davon, dass Sie nun schon wieder beruflich reisen?
Meine Frau Carla sagt nach wie vor: «Mach es, das ist super!» Wenn wir uns nicht einig wären in den Grundzügen unseres Lebens, wäre all das gar nicht möglich. Für mich war es aber schon etwas schwieriger, in der Coronazeit zu gehen.

Ein schlechtes Gewissen?
Immer. Aber wir können ja auch glücklich sein, dass wir etwas ­machen dürfen. In der Hoffnung, dass wir den Leuten Freude schenken können. Gerade jetzt.

Schlägt Ihnen selbst Corona auch aufs Gemüt?
Ja, es belastet. Bei aller Freude, die du im Leben hast, ist da immer dieser schwarze Schatten, der dich begleitet. Geschichten, in denen es um Achtsamkeit, depres­sive Verstimmungen, Traurigkeit geht, lese ich heute sehr aufmerksam. Früher dachte ich «spannend», jetzt berühren sie mich anders. Man muss unglaublich aufpassen und mit Leuten sprechen, denn dann merkst du: Du bist nicht allein. Es hilft, dass man es einordnen kann und den Grund kennt, dann suchst du den Fehler nicht unbedingt bei dir.

Wie geht es Ihrer Familie?
Gut. Gerade jetzt sind Ferien, dann ist es jeweils etwas anstrengender, weil Melchior, der sonst eine heilpädagogische Einrichtung besucht, immer daheim ist. Wie heute mit unserer kurzen Nacht. Aber da musst du dich einfach motivieren und nicht ins Jammern verfallen: einatmen, ausatmen, alles geht gut.

Sehen Sie bei Melchior noch Entwicklung?
Ja, sehr. Zum Beispiel hat er beim Skifahren in Sachen Aufmerksamkeit einen Zacken zugelegt. Und wir sehen auch seine Vorfreude, bevor es losgeht. Die Kommunikation ist auf einer ganz anderen Ebene als sprachlich, aber wir sind recht gut darin, zu verstehen, was der andere gerade will.

Was machen Ihre beiden grösseren Buben?
Buben ist gut … Bald heisst es in Artikeln: «Hartmann, der zwei erwachsene Söhne hat» (lacht). Constantin ist 18 und macht dieses Jahr die Matur und danach ein Zwischenjahr. Frederik ist in der zweiten Sek und wird wohl eine Lehre machen. Sie schlagen sich beide super und haben ihren ei­genen Alltag. Trotzdem sind wir als Familie immer noch sehr eng. Unsere Situation schweisst uns speziell zusammen, weil wir einander extrem brauchen. Gerade jetzt, mit meinem neuen Job.

Was hat sich verändert?
Vorher war ich für eine Zeit weg, am Wandern, danach aber voll und ganz da. Jetzt habe ich einen Job, den ich 24 Stunden am Tag im Kopf habe. Es hat viel mit Lernen zu tun und mit Selbst­vertrauen – das mir manchmal fehlt. Schaff ich das? Vorher war ich in allem sicher. Aber ich habe das dem Team am Anfang auch kommuniziert: Das kann ich, hier brauche ich Unterstützung. Die Idee geht auf. Heute treffen Sie mich in einer Situation an, wo es – trotz Nebel – nicht nur draussen Frühling wird, sondern auch in meinem Kopf. Aber die letzten Monate waren keine ganz ein­fache Zeit.

Was hilft Ihnen abzuschalten?
Spaziergänge mit Oshkosh, aber auch viel Sport. Ich habe schon fünf Kilo abgenommen. Wenn ich mal eine Stunde keinen Call habe, gehe ich lieber joggen, als dass ich mich kurz hinlege. Ich erkenne mich selbst kaum wieder (lacht).

Dann hat sich Ihr Leben ganz schön verändert?
In meinem Kopf war es irgendwie schon so, jetzt lebe ich es auch. Ich bin jetzt 48 Jahre alt und fühle mich das erste Mal in meinem Leben auch im Geist so alt, wie ich bin.

Positiv klingt das nicht unbedingt.
Doch, das ist es. Es fühlt sich irgendwie logischer an, ich bin nicht mehr auf der Suche.

Demnach haben Sie den Schritt vom SRF weg nicht bereut?
Definitiv nicht. Ich denke gerne zurück, was zeigt, dass ich diese Jahre sehr genossen habe. Aber ich musste weiterziehen, etwas bewegen. Im Unterhaltungsbereich bei den Privatsendern tut sich extrem viel. Ich habe das Gefühl: «The Sky is the Limit» – es gibt keine Grenzen. Und ich darf mitverantwortlich sein. Auch jetzt mit «Abenteuerlustig»: Es hat sich bestätigt, dass ich genau am richtigen Ort bin.