«Es war wichtig, los­lassen zu können»

Seit sie vor zehn Jahren «DSDS» gewonnen hat, ist sie aus der Schlagerszene nicht mehr wegzudenken. Nun wagt die Sängerin einen Neuanfang. Kraft findet sie in ihrer Heimat am Zürichsee.

Von Irene Lustenberger 

Ein sonniger Vormittag in Pfäffikon SZ. Wenige Meter neben der Badi posiert Beatrice Egli (35) für die GlücksPost. Eine Frau spricht uns an: «Darf ich ein Foto machen? Das muss ich meiner Tochter zeigen, sie ging mit dir in die Schule.» Die Schlagersängerin erfüllt ihren Wunsch und sagt: «Richte Selina liebe Grüsse aus!» Auch während des Interviews kommen Bekannte für einen kurzen Schwatz an den Tisch: «Welch Zufall! Schön dich zu sehen!» Beatrice Egli lächelt und sagt schon fast entschuldigend: «Das ist halt mein Pfäffikon!»

GlücksPost: Sie sind in Pfäffikon aufgewachsen und wohnen hier. Wie oft sind Sie überhaupt zu Hause?

Beatrice Egli: Sehr selten. Wenn es gut kommt, einmal pro Woche, spätestens alle zwei Wochen.

Sie fühlen sich hier aber nach wie vor zu Hause?

Ja, das ist meine Heimat. Hier sind meine Wurzeln, hier ist meine Familie. Die Orte sind mir sehr vertraut. Ich erinnere mich zum Beispiel daran, wie wir als Kinder am Mittwochnachmittag in der Badi waren. Dieses Gefühl und diese Erinnerungen bleiben für immer. Ich habe ein sehr intensives Leben mit vielen Eindrücken, deshalb geniesse ich das Vertraute umso mehr. Auch mein Freundeskreis ist derselbe wie eh und je. Das ist meine Beständigkeit im Leben und das ist mein Gefühl von Heimat.

Aber wie wir gerade miterlebt haben, können Sie auch in Ihrer Heimat nicht mehr auf die Strasse, ohne angesprochen zu werden.

Ich wohne seit 35 Jahren hier, man kennt mich halt. Meist ist es ein Lächeln oder ein Winken, keine Euphorie wie andernorts. Das geniesse ich sehr. Und solange die Menschen sich freuen, wenn sie mich sehen, ist es ja gut (lacht).

Wenn Sie hier sind, wie verbringen Sie Ihre Freizeit?

Zwischen Koffer auspacken, waschen und wieder packen bin ich meist in der Natur. Oder ich liege auf dem Sofa (lacht).

Haben Sie einen Lieblingsort?

Ich bin meistens auf dem Etzel, im oder auf dem Zürichsee anzutreffen.

Was vermissen Sie, wenn Sie in Deutschland sind?

In erster Linie meine Familie. Ich weiss aber, dass ich immer mit offenen Armen empfange werde. Was ich ebenfalls vermisse, ist die Umgebung. Der Zürichsee ist für mich ein Kraft- und Energieort. 

Finden Sie in Ihrer Heimat die Balance, die Sie in Ihrem neuen Album besingen?

Das Album heisst genau deshalb «Balance», weil ich diese immer wieder suche. Ich bringe mich oft auch bewusst selbst aus der Balance, indem ich Risiken eingehe. Für dieses Album wagte ich einen kompletten Neuanfang – neues Management, neue Plattenfirma, neue Produzenten, neuer musikalischer Direktor, neue Komponisten und Texter. Am Anfang war das alles andere als in Balance, denn ich habe mit dem alten Team zehn Jahre zusammengearbeitet. Es war wichtig, loslassen zu können. Das war emotional und ein schmerzhafter Prozess, fühlt sich aber richtig an. 

Ist Ihr Neuanfang «nur» auf Ihr musikalisches Umfeld bezogen?

Ja. Privat suche ich die Veränderung nicht. Die Bühne ist mein Spielplatz, auf dem ich mich austoben und vieles ausprobieren kann. Umso mehr geniesse ich die Beständigkeit im Privatleben. 

Die Zeit mit Ihrer Familie muss aber etwas hinten anstehen, oder?

Wichtig ist nicht, wie viel Zeit man miteinander verbringt, sondern dass man diese Zeit sinnvoll nutzt. Meine Eltern und meine drei Brüder sind dank der Digitalisierung immer mit mir verbunden, und wir teilen im Familienchat Momente und Bilder. Ich bin vielleicht nicht an vielen Familienanlässen mit dabei, aber dafür habe ich meine vier Nichten und Neffen dann für mich alleine (lacht).

Sie wurden am 21. Juni 35 Jahre alt. Wie sieht es mit eigenen Kindern aus?

Ich mache mir da keinen Stress. Es kommt, wie es kommt. Ich habe ja eine Familie und viele junge Menschen um mich herum. Erzwingen kann man sowieso nichts.

Viele Lieder, unter anderem das Duett mit Florian Silbereisen, handeln von der Liebe. Mit ihm wurde Ihnen mehrmals eine Beziehung angedichtet. Nun soll er eine Partnerin haben. Wie sieht das bei Ihnen aus?

Das ist etwas, was ich privat halte.

Der Song «Zwischen den Wolken» hat einen traurigen Hintergrund.

Ja, meine beiden Grosseltern sind vor rund einem Jahr kurz nacheinander gestorben. Seither trage ich zwei Ringe meiner Grossmutter. Die beiden haben mein Leben 34 Jahre lang geprägt, und durch ihren Tod wurde mir bewusst, wie schnell alles vorbei sein kann. Das hat mir Mut für den Neuanfang gegeben. 

Inwiefern Mut?

Das Leben ist zu kurz, um auf etwas zu warten. Ich brauchte mehrere Anläufe, um den Song einzusingen. Leider konnte ich nicht an beiden Beerdigungen dabei sein, deshalb ist das Lied mein persönlicher Abschied. Durch die Werte, die Lebenseinstellung und vor allem die Erinnerungen leben sie in mir weiter. Grosspapi hat mir das Ski- und Velofahren beigebracht. Grossmami hat mir die Nägel lackiert, und mit ihr habe ich die erste – und letzte – Zigarette geraucht. Ich hatte wirklich Traum-Grosseltern, die ihr Leben intensiv gelebt haben.

Sie gelten als Frohnatur und lachen oft. Gibt es auch die schlecht gelaunte Beatrice Egli?

Ja natürlich gibt es Momente, in denen ich nicht gut gelaunt bin. Mein Lachen ist so ehrlich wie mein Weinen. Ich bin wie eine Löwin: ein friedliches Kätzchen. Greift man es aber an, kann es seine Grenzen aufzeigen. 

Was macht Sie wütend? 

Ungerechtigkeit und Unwahrheiten bringen mich auf die Palme. 

Was würden Sie heute machen, wenn Sie nicht Sängerin geworden wären?

Ich wollte immer Schlagersängerin werden, einen Plan B hatte ich nie. Was ich mache, mache ich aus Überzeugung und mit ganzem Herzen – egal, was es ist. Ich bin sehr ehrgeizig und gebe nicht auf.  

Seit Ihrem Sieg bei «DSDS» sind zehn Jahre vergangen. Wie haben Sie sich seither verändert?

Ich bin gelassener geworden und kann besser mit Herausforderungen umgehen. Ausserdem bin ich mutiger und stehe noch mehr zu mir selber. 

Sie mussten in den vergangenen Jahren einiges an Gegenwind einstecken, vor allem wegen Ihres Körpers. Was war das Gemeinste, was Sie je über sich lesen mussten?

Alles, was sich um Äusserlichkeiten dreht, ist gemein. Man kann doch nicht einfach über jemand anderen urteilen. Keiner lebt dein Leben. Wer bestimmt, was richtig ist?

Das heisst, Ihnen ist es egal, was andere von Ihnen denken?

Früher hat es mich verletzt. Mittlerweile strahle ich mehr Selbstvertrauen aus, weshalb auch die fiesen Kommentare nachgelassen haben. Ich habe einen genug grossen Hintern, dass es mir dort vorbeigeht (lacht).

Aber Sie achten auf Ihre Ernährung und treiben Sport?

Ich mache das, was mir guttut. Sport mache ich aber nicht wegen des Äusserlichen, sondern um fit für die Bühne zu sein. Ich brauche genug Atem, um mehrere Tage hintereinander zweieinhalb bis drei Stunden durchzuhalten. Wenn man zu wenig Luft hat, schlägt das auf die Stimmbänder.  Mich bringt man aber nicht ins Fitnessstudio. Am liebsten bin ich in den Bergen. Das Höhentraining ist das beste, schnellste und effizienteste. Und zudem hat man dort  eine gute Aussicht und Ruhe.

Mit dem Lied «Unvergleichlich» wollen Sie anderen Frauen Mut machen.

Ja, genau. Wir Frauen sind meist zu kritisch mit uns selbst. Der Blick auf andere kann viel zerstören. Ein Sprichwort sagt: «Wer sich vergleicht, ist unglücklich.» Keiner ist wie der andere, nicht nur äusserlich, sondern auch charakterlich. Und genau das macht uns aus. Deshalb sollten wir Frauen uns gegenseitig bestärken und feiern, dass jede von uns anders ist.

Am 30. Juni erscheint das neue Album. Was steht bei Ihnen sonst noch an?

Es wird ein intensives Jahr, eine musikalische Matterhorn-Besteigung. Ich darf nach vier Jahren endlich wieder auf Tour und freue mich sehr darauf. Am 23. 11. trete ich zum ersten Mal im KKL Luzern auf – für mich eines der schönsten Konzertlokale der Schweiz. Dann gibt es ja noch die «Beatrice Egli Show» und seit kurzem meinen Podcast «Egli extrem». Ich mache so viel wie noch nie, aber mit einer Leichtigkeit wie noch nie.

Und was ist mit Ihrer Biographie, die schon vor längerer Zeit hätte erscheinen sollen?

Die habe ich gemacht. Aber für mich alleine (lacht). Ich habe alles niedergeschrieben, aber nie veröffentlicht. Irgendwann habe ich festgestellt, dass ich meine Erlebnisse nicht mit der Welt teilen möchte. 

Wo sehen Sie sich in 10 bis 15 Jahren?

Mein Ziel ist, glücklich zu sein, das Leben zu geniessen und mit  Freude und Herzblut meiner Passion, der Musik, nachzugehen.