«Entbehrungen gehören dazu»

Noch nie war der Moderator so lange von seiner Familie getrennt. Aber er nimmt es für sein ­TV-Abenteuer hin – es ist sein bisher grösstes. Und vielleicht auch sein letztes?

Die Blümlein blühen, die Vöglein zwitschern – unten im Tal. Nik Hartmann (46) hat wenig davon: Die Ski erst auf den Schultern, dann an den Füssen ist er von Grindelwald BE hoch auf die schneebedeckte Kleine Scheidegg gestiegen. «Eigentlich könnten wir doch auch mal im Sommer drehen, im T-Shirt, mit leichten Schuhen und so», meint er augenzwinkernd, bevor er sich in seiner Skimontur auf einen Stuhl plumpsen lässt. Für «SRF bi de Lüt – Wunderland Spezial» wandert er mit seiner siebenjährigen Border-Collie-Hündin Oshkosh 30 Tage am Stück auf der Via Alpina. 390 Kilometer von Vaduz (FL) nach Montreux VD. Gerade ist Halbzeit.

GlücksPost: Am Ende der Kräfte, Herr Hartmann?
Nik Hartmann: Nei, nä-ä! Mir geht’s gut. Das ist Laufen, dafür ist unser Körper gemacht – dass wir mit eigener Muskelkraft vorwärtskommen. Und dieses Vorwärtskommen macht Freude. Heute Morgen habe ich diese Euphorie wieder gespürt. Juhui, jetzt geht’s los – das kenne ich sonst nur von meinem Hund.

Gab es brenzlige Situationen?
Nein, wir haben immer einen Bergführer dabei. Den braucht es. Wir waren in strömendem Regen unterwegs, erlebten Föhn- und Schneestürme. Ich dachte, ich hätte in meinen Sendungen schon alles gesehen. Aber nein, das hier ist das Doppelte von allem.

Wie schlägt sich Oshkosh?
Super! So wie sie läuft, könnte sie schon dreimal in Montreux sein. Aber klar, ich sorge mich schon um sie: Sie kennt keine Grenzen. Deshalb musste der Bergführer sie an gefährlichen Stellen zweimal tragen. Schön süferli … Nachts schläft sie neun Stunden, und am Morgen hat sie nach fünf Minuten schon wieder ein Stöckchen gefunden. Das macht mich happy: Dä Hund isch zwäg!

Wandern mit Hund: So begann Ihre Fernsehkarriere mit «Über Stock und Stein». Schliesst sich damit ein Kreis? Das ist doch nicht etwa ein krönender Abschluss Ihres TV-Wanderns?
Geplant ist nichts. Aber klar macht man sich Gedanken: Was gibt es noch? In den letzten Jahren haben wir mit immer neuen Ideen eine Marke zur Tradition werden lassen, darauf können wir stolz sein. Es könnte ein Abschluss sein, aber ich denke eher, dass es der Anfang von etwas Neuem ist. Ich finde eigentlich, dass ich gerade im besten Alter für solche Sendungen bin.

Inwiefern?
Ich bin geduldiger mit mir selbst geworden, entspannter, muss nicht immer sofort ans Ziel; der Weg ist die Geschichte. Mit der Lebenserfahrung ist eine gewisse Oberflächlichkeit verschwunden: tiefgründigere Gespräche statt der Jagd nach Pointen.

Besonders ist dieses Mal, dass Sie 30 Tage ohne Unterbruch unterwegs sind.
Ja, das ist für mich definitiv mehr als nur eine Sendung. Bisher sind wir sozusagen vom Ein-Meter-Brett gesprungen, diesmal vom Fünf-Meter. Es ist ein richtiges Abtauchen, du bist von Kopf bis Fuss drin, es gibt keine Option, ausser in 30 Tagen dieses Montreux zu erreichen. Klar könnte man Fernwanderungen  auch stückeln, so wie viele Menschen den Jakobsweg wochenweise gehen, das ist aber nicht dasselbe.

Hat diese Art des Reisens denn etwas Spirituelles für Sie?
Vielleicht. Obwohl ich gar nicht der Typ dazu bin. Ich muss mich nicht suchen, ich habe mich gefunden. Trotzdem bin ich gespannt, was diese Zeit für Aus-wirkungen haben wird und wie lange sie anhalten.

Im Moment zumindest hat die Reise Auswirkungen auf Ihr Privatleben. Früher waren Sie während der Drehs am Wochenende bei der Familie, diesmal nicht.
Ein Monat – es ist das erste Mal, dass ich überhaupt so lange weg bin, ob mit oder ohne Kinder. Aber die Jungs sind ja schon recht gross, da werden solche Sachen möglich.

Melchior, Frederik und Constantin sind 10, 13 und 16 Jahre alt. Vermissen Ihre Söhne Sie?
Constantin vermutlich nicht – er ist gerade auf einer Gymi-Reise in Berlin. Melchior wohl auch nicht (Anm.: Sein Jüngster hat eine zerebrale Behinderung.) Und Frederik? Doch, ich glaube er schon. Und ich vermisse sie selbstverständlich alle. Aber Entbehrungen gehören dazu, wenn man etwas Neues schaffen will. Und wir telefonieren mehrmals täglich. Das hat sein Gutes.

Zum Beispiel?
Jeder erzählt ausführlich, was er erlebt hat, es gibt keine Auseinandersetzungen. Das ist für die Familie doch etwas Schönes.

Ist es für Carla, Ihre Frau, nicht anstrengender als die letzten Jahre?
Es kommt auf dasselbe heraus. Bisher dauerten die Drehs sieben Wochen, diesmal sind es «nur» 30 Tage, die dafür halt am Stück. Ich habe Carla, als die Idee aufkam, davon erzählt, und sie meinte: «Ja, isch guet.» Und danach bin ich ja dann ein Weilchen zu Hause.

Sind noch Familienferien geplant?
Ja, es geht für zwei Wochen mit dem Schiff nach Grönland. Mindestens jeden zweiten Tag gibt es einen Landgang mit Wandern.

Sie wandern also auch privat mit der Familie?
Ja, wenn es möglich ist. Wir sind generell gerne draussen. Im Winter zum Beispiel beim Skifahren, da können wir dann Melchior in einem Spezial-Schlitten auch mitnehmen.

Ist er auf der Reise dabei?
Nein, er hütet das Haus. Zusammen mit meiner Schwägerin und ihrer Familie, die bei uns einziehen und ihn auch noch mit ins Engadin nehmen. Sie machen das gerne. Es ist toll, so ein Umfeld zu haben.

Und auch bei Ihnen und Ihrer Frau stimmt’s offenbar: Dieses Jahr feiern Sie ja Ihren 20. Hochzeitstag.
Ehrlich? Das zeigt, wie alt wir schon sind (lacht.) Nein, natürlich weiss ich das – am 19. Juni. Es ist jedoch noch nichts geplant.

Aber feiern werden Sie ihn?
Carla liebt Feiertage, also ja, das werden wir bestimmt. Es ist ja auch etwas Schönes. Poah, zurückschauen auf 20 Jahre – das ist fast wie 30 Tage wandern!