Ein Vorbild für seine Brüder

Für die einen ist der Ostschweizer TV-Liebling, für die anderen Volksmusik-Star – und für Damian, Luca und Joel einfach nur grosser Bruder. Ein Mensch, den sie bewundern. Trotz seiner kleiner Macken.

Hopp St. Gallä! Mit grün-weisser Club-Jacke empfängt uns Nicolas Senn (29) vor dem Kybunpark, dem Stadion des FC St. Gallen. Rucksack, Tasche: Er ist recht beladen, hat in knapp zwei Stunden einen Einsatz. Als Musiker? Oder Mode­rator? Weder noch! Er wird die besten Szenen des Spiels mit der Kamera einfangen: Seit über zehn Jahren ist er offizieller Teamfotograf des Fussballclubs. «Bei jedem Match bin ich aber nicht dabei, manchmal beisst es sich mit der Musik», erzählt er. In diesen Job sei er so reingerutscht. «Früher war ich Ballbub. Mit 14 kaufte ich mir meine erste Digitalkamera – ab da fotografierte ich lieber.»

Der FC St. Gallen ist ein Virus, das alle Senns erwischt hat. Nicolas’ Vater spielte dort, ebenso seine jüngeren Brüder Damian (27, U21), Luca (25, U18) und Joel (23, U16). Obwohl nicht mehr im Spitzenfussball aktiv, sind sie bis heute als Trainer, Spieler und Fans eingefleischte Fussballer. Da ist Nicolas das schwarze Schaf unter ihnen: Er drückt den Grün-Weissen zwar die Daumen, könnte sich ohne zu fotografieren aber generell keine Fussballspiele ansehen: «Zu langweilig!» Und selber spielen hat er schon lange aufgegeben. «Ich bin ein Stolperi, völlig untalentiert», sagt er – und kokettiert nicht. Seine Brüder, die mittlerweile zu uns gestossen sind, be­stätigen das. Der Hackbrettler habe das Gefühl halt eher in den Händen, meint Damian diplomatisch. Dennoch hätten sie früher in der Freizeit oft in Romanshorn, wo sie aufgewachsen sind, zusammen gekickt. Luca: «Nicolas war zwar top motiviert, aber eben … Meistens haben wir ihn ins Goal geschickt, damit er niemanden verletzt. Das mussten wir dann aber unterlassen, damit seine Finger fürs Hackbrettspiel heil blieben.»

Die Senn-Brüder grinsen bei der Erinnerung. Alle vier sind sie offen, herzlich, lachen viel – mit- und auch mal übereinander. «Ja, wir verstehen uns sehr gut», erzählt der «Potzmusig»-Moderator. Ein total eingeschworenes Quartett seien sie aber nicht. «Die drei anderen stehen sich etwas näher. Sie wohnen noch zu Hause, teilen die Fussball-Liebe, sind alle im FC Romanshorn.» Schmerzt ihn das? «Gar nicht. Wir hatten und haben es immer schön miteinander, sind als Familie da aber generell entspannt: Wir müssen nicht ständig zusammenkleben.» Bei Konzerten (Termine: www.nicolassenn.ch) und TV-Einsätzen (als nächster: «Potzmusig», 24. 11., 18.45 Uhr, SRF 1) seien seine Brüder hin und wieder dabei. Manchmal sogar mit Kollegen aus der Fussballmannschaft. Ständige Konzertbesuche erwartet Nicolas aber nicht: Er schaue seinen Brüdern ja auch nicht bei der Arbeit oder beim Studium zu. In dieser Hinsicht haben sie übrigens eine grosse Gemeinsamkeit: Nicolas studierte an der HSG Wirtschaft – und nach ihm auch Damian, Luca und Joel. Die beiden Jüngeren sind noch dran. Die Hochschule St. Gallen sei renommiert und in der Nähe, da biete sich das an, sagt Luca. Damian ergänzt, dass Nicolas für ihn da schon eine gewisse Vorreiter-­Rol-le hatte, auch früher schon ein Vorbild gewesen sei. «Wir haben an ihm gesehen, was es heisst, eine Leidenschaft zu haben und sich da voll reinzuhängen. Bei ihm war es die Musik, bei uns der Fussball.» Was bewundert er an seinem Bruder? «Nummer 1: seine Coolness bei Auftritten. Nummer 2: die Offenheit, mit der er auf Menschen zugeht, ob er sie kennt oder nicht.» Luca ergänzt, dass er es toll fände, dass Nicolas so engagiert sei. Nicht nur in der Musik oder im Fernsehen: Er habe immer den Antrieb, etwas zu machen, sitze nie nur faul herum. Plötzlich fange er an, seinen Garten neu zu gestalten, helfe dem Nachbarsbauern, gehe z’Berg.
Gibt es auch Schwächen auszuplaudern? Luca: «Nebst denen am Ball? Er hat seinen eigenen Kopf. Das ist positiv, wenn er an Sachen dranbleibt, aber manchmal auch anstren

gend – wenn er bei Diskussionen stur auf seiner Meinung beharrt.» Das sei allerdings bei allen Senn-Männern gelegentlich der Fall – dann vermittle ihre Mutter («die heimliche Chefin»).
Langsam müssen die Brüder los zum Spiel – der eine zum Fotografieren, die anderen zum Anfeuern. Aber eines noch: Hat sich Nicolas Senn eigentlich nie eine Schwester gewünscht? «Doch, als mein jüngster Bruder Joel unterwegs war», sagt er und lacht. «Weil ich wollte, dass sie für mich die Steine der Fussballstadien aus Lego aufräumt!»