Direkt ins Herz getroffen

Acht Jahre war er als SRF-Korrespondent in den USA daheim. Da der «10vor10»-Moderator damals nicht alle 50 Bundesstaaten besucht hatte, ging er für eine Dok-Reihe auf eine bewegende Reise.

Seine zweite Heimat von einer unbekannten Seite: Das hat Arthur Honegger (39) auf einer sehr persönlichen Reise fürs TV dokumentiert. «Die Vereinigten Staaten von Amerika sind nicht ‹Trumpistan›, sondern ein Land, das viel anderes zu bieten hat, etwa kulturelle Vielfalt.»

GlücksPost: Ihr Roadtrip führte Sie nach Hawaii, New Mexico und South Dakota, die einzigen Staaten, die Sie vorher noch nie bereist hatten. Weil sie so uninteressant sind?
Arthur Honegger: Oh nein! Als Korrespondent geht man einfach dorthin, wo die News sind; in South Dakota oder New Mexico passiert halt nicht so viel. Ich bin froh, konnte ich nun Teile des Landes erleben, die selten in den Schlagzeilen sind. Und Neues sehen. Etwa das Leben der ärmsten Amerikaner, der Lakota-Indianer.

Die Indianer führen ein Leben fast unbeachtet von der Öffentlichkeit.
Ja, das ist eine Welt für sich, die Menschen sehen sich ja auch als eigene Nation. Ihre Identität grenzt sich bewusst von den USA ab – schliesslich hat man das eigene Land an sie verloren. Das Reservat Pine Ridge hat mich mehr an Haiti erinnert.

Kurz gesagt: Alkohol und Drogen statt Jobs und Perspektiven.
Ich habe viel gesehen als Korrespondent, aber die Not dort ist wirklich mit nichts zu vergleichen. Dennoch haben die Lakota sich einen spirituellen Reichtum bewahrt: Ihre Traditionen und die uralten Weisheiten sprechen auch uns moderne Menschen ganz direkt an. Da war ich selber überrascht, wie stark mich das bewegt hat.

In einer mexikanischen Grenzstadt besuchten Sie eine Auffangstation – eine Art Grenzerfahrung?
(Nickt.) Wir hörten von den Leuten in Juárez, warum sie fliehen mussten aus Guatemala, El Salvador und so weiter. Das sind Geschichten, die einen direkt ins Herz treffen, die mich sprachlos gemacht haben. Oft ist ja nur die Rede von Migranten, die unbedingt in die USA wollen. Aber wenn man erfährt, warum diese Menschen das Leben in der Heimat aufgeben, was sie auf der Flucht durchleben, dann ist das etwas ganz anderes. Also auch emotional eine Grenzerfahrung zwischen zwei Welten: den USA und Mexiko.

Die Grenze ist also durchlässig, trotz der Mauer.
Auch dort, wo eine Mauer steht, gibt es normalen Grenzverkehr, ja. Wir haben ein Mädchen aus Mexiko begleitet, das mit hunderten anderen Schülern jeden Morgen die Grenze passiert, um in den USA zur Schule zu gehen. Das ist möglich, weil diese Kinder in den USA geboren und damit Bürger des Landes sind. Eine überraschende Geschichte mitten in der Diskussion um Mauern und Migranten. Diese «Normalität» geht in der Berichterstattung über die Brennpunkte häufig unter.

Wieso zog es Sie nach Puerto Rico?
Die Insel hat mich immer fasziniert: ein Teil der USA, der aber kein eigener Staat ist, sondern nur «assoziiertes Territorium». Hier leben amerikanische Bürger, die aber nicht an nationalen Wahlen teilnehmen dürfen. Und klar: Nach dem Horror-Hurrikan Maria 2017 war Puerto Rico ein grosses Thema – und mein Interesse an dieser Region umso stärker.

Wie geht es den Menschen dort?
Sie haben nicht vergessen, wie sie von der Trump-Regierung links liegengelassen wurden nach dem Sturm. Wenn der eigene Präsident sich so verhält, als sei man ihm egal, sitzt das tief. Das hat die Skepsis gegenüber Washington noch verschärft. Untereinander helfen sich die Puerto-Ricaner aber, wo immer sie können – auch ich habe mit angepackt beim Wiederaufbau. Da kommst du den Menschen sehr nahe. Am Ende wollte mich eine Dame gar adoptieren (lacht). Das berührt einen natürlich.

Last but not least: Hawaii.
Genau. Der letzte Staat, den ich noch besuchen musste, meine Nummer 50. Fast schon eine Pilgerfahrt, da ich als lebenslanger Brettsportler unbedingt versuchen musste, eine Welle zu reiten. Viel Zeit blieb nicht – darum sieht das im Film dann mehr nach Mickey Mouse in Seenot aus.

Wie erlebten Sie Trump-Amerika?
Ich ging in den letzten Jahren mehrmals zurück, und man spürt schon, dass die Stimmung sich verändert und verhärtet hat. Vor allem in Washington, wo Politik alles ist. Aber draussen im Land leben die Menschen ihr Leben weiter, Optimismus und Tatendrang sind so präsent wie eh und je. Auch das zeigen unsere vier Filme deutlich.

In der vierteiligen Reihe «Mein unbekanntes Amerika» (25. und 27. 2., 20.15 Uhr, 3sat) versucht der «10vor10»-Moderator, auf Hawaii surfen zu lernen.