«Dieser Aufbruch tut mir sehr gut»

Für den TV-Moderator ist die Zeit gekommen, Adieu zu sagen. Seine letzte Sendung bei SRF steht an – und ein Blick zurück, der Emotionen weckt. Dennoch ist er sicher, das Richtige zu tun.

Der Abschied vom Schweizer Fernsehen rückt näher – noch aber gibt Nik Hartmann (48) für seinen langjährigen Arbeitgeber Gas. Wortwörtlich. Wir erwischen den Moderator am Telefon, als er gerade zu den letzten Aufzeichnungen für «SRF bi de Lüt – Live: Das Jubiläum» (6. Juni, 20.10 Uhr) fährt. Es ist die 60. Ausgabe der Sendung und seine letzte, bevor er zu CH Media wechselt (3+, TV24 etc.). An drei früheren Austragungsorten, Neuhausen, Scuol und Spiez, schaut er mit wenigen Gästen auf die schönsten Momente zurück.

GlücksPost: Wegen Corona gibt’s keine grosse Abschiedssause auf einem Dorfplatz. Enttäuscht?

Nik Hartmann: Nein, wir schauen zurück auf all das, was wir hatten, schwelgen in Erinnerungen. Ich hätte mir nichts Schöneres zum Abschied wünschen können!

Weshalb haben Sie sich genau diese Städte ausgesucht?

Scuol ist mir sehr wichtig – der Ort, wo 2009 alles begann, ich erstmals so eine grosse Show moderieren durfte. Spiez war die erste Sendung für unseren Produzenten Martin Boner, und Neuhausen ist ein Symbol für die, wie ich finde, «abverheite» Saison mit den vielen Spielen. Zudem waren kaum Leute dort, dafür aber Millionen Mücken. Und so gibt es nun eine Art Versöhnung.

Morgen fällt die letzte Klappe, dann ist’s vorbei. Wie fühlen Sie sich?

Klar, es geht etwas zu Ende. Aber jede Sendung hat einen letzten Drehtag, das kenne ich. Alles andere spielt sich nur im Kopf ab – die Vorstellung, dass es das letzte Mal fürs SRF ist. Aber ich werde ja weiterhin vor der Kamera stehen und sicher auch einige aus dem Team wiedersehen.

Dann werden wir von Ihnen keine Abschiedstränen sehen?

Nanaaai, das glaube ich nicht. Und mal ehrlich: Wenn jemand bei der Bank den letzten Tag hat, macht man ja auch nicht so ein Trara. Es ist ein Beruf wie jeder andere, du stehst halt einfach in der Öffentlichkeit. Ich finde, man muss gehen, wenn’s am schönsten ist. Klingt billig, ist aber so.

Plagten Sie Unsicherheiten in Bezug auf Ihre Zukunft bei SRF?

Nein, ich bin einfach vorsichtig und früh dran mit dem Entscheid, sodass er für andere vielleicht nicht logisch erscheint. Für mich ist er das. So gehe ich mit Freude und kann auch in Zukunft mit einem guten Gefühl zurückblicken.

Sie haben als «Wanderer der Nation» viel erlebt, wie derzeit freitags auch in der Reihe «SRF bi de Lüt – Wunderland Spezial: Niks Wanderhitparade» zu sehen ist. Welches Ziel hat es Ihnen speziell angetan?

Ich habe mein Herz ans Unterengadin verloren. Vielleicht war ich in einem früheren Leben dort zu Hause? Aber eigentlich habe ich meiner Frau Carla in den letzten zehn Jahren nach jeder Wanderung vorgeschwärmt, wo wir überall mal hinsollten. «Jaja», sagt sie da heute nur noch.

Was hat Sie besonders berührt?

«Reise mitohne Hindernis» letztes Jahr, als ich zwölf Tage mit Menschen mit Downsyndrom unterwegs war. Das war Ehrlichkeit pur – und Spontaneität auf die Spitze getrieben: Da wurde der Plan zweimal pro Minute über den Haufen geworfen, nur ihre Bedürfnisse zählten. Eine lehrreiche, wahnsinnig schöne Erfahrung!

2019 hatten Sie aber auch ein weniger tolles Erlebnis – auf der Via Alpina, als der Bergführer Sie am Chindbettipass gerade noch vor dem Absturz bewahrte. Todesangst…

Ein Wahnsinnswort, ich weiss nicht, ob man es so nennen kann. Ich habe die Hoffnung auch in diesem Moment nicht verloren, aber realisiert, dass ich es selbst nicht mehr in der Hand hatte. Erst war ich voller Adrenalin, und als wir dann oben ankamen, heulte ich einfach los. Das ist mir noch nie passiert. Da habe ich rückgeschlossen, dass ich Angst gehabt hatte, aber der Organismus, das Alarmsystem funktionierte – bis zum Zusammenbruch. Die Kollegen waren etwas peinlich berührt.

Worauf sind Sie stolz?

Dass ich mich nicht beirren liess von jenen, die gesagt haben, im Showbusiness müsse man laut sein, Forderungen stellen, sich verkaufen. Nein, es geht auch mit Anstand. Und stolz bin ich auch, dass ich es so lange durchgezogen habe. Wie viele andere habe auch ich in meinem Job Täler durchschritten, dachte: «Schissdräck, genug gewandert!» Aber es wurde immer wieder gut. Und unser Team funktioniert super.

Nie Streitereien?

Es chlöpfte vielleicht drei Mal, was aber immer schnell geklärt war. Wenn wir zusammen sind, klingen wir wie 90-Jährige, die im Krieg zusammen Aktivdienst geleistet haben: Zu jedem Örtchen haben wir Anekdoten. Das kennt auch meine Familie. Ich sage seit Jahren an denselben Orten: Hier haben wir gedreht, da haben wir geschlafen. «Papi, mir wüssed’s!», finden die Jungs dann.

Apropos Familie: Wie haben Sie die Corona-Zeit erlebt?

Super! Wobei wir natürlich zu den Privilegierten gehören, die nicht mit engen Platzverhältnissen kämpfen müssen. Dazu kommt, das meine grösseren Söhne Constantin und Frederik mit 17 und 14 Jahren sehr selbständig sind, die brauchten niemanden, der schaut, dass sie virtuell ihre Schulsachen machen.

Dann mussten Sie nicht mit der Peitsche hinter ihnen stehen?

Nein, das wäre auch total falsch. Das Wichtigste in so einer Phase ist, dass man mit der Familie das Beste draus macht. Auch für die Kinder ist es eine Ausnahmesituation, da sollte man als Erwachsener nicht noch hysterisch sein. Wir haben die Zeit genossen.

Wie zum Beispiel?

Wir waren am Waldrand brätle, haben oft Pizza bestellt und Restaurants mit Take-away-Diensten unterstützt. Entspannend war auch, dass es keine Optionen gab – keine Veranstaltung, die ansteht, kein Kinofilm, den man noch schauen sollte, kein Druck. Wobei es mir natürlich für all jene leidtut, die kein Einkommen hatten. Auch ich freue mich, wenn wieder Normalität einkehrt. Frederik geht bereits wieder zur Schule, das Gymi von Constantin bleibt vorerst zu.

Und wie läuft es bei Melchior, der elf Jahre alt ist und eine zerebrale Behinderung hat?

Er geht jetzt wieder zur Schule, war aber die letzten Wochen auch immer daheim. Das war eine Herausforderung, denn seine Fächer, etwa Ergotherapie, kannst du schlecht auf digitalem Weg lehren. Und es muss immer jemand da sein, der ihn betreut: Carla, ich, Constantin oder Frederik.

Dann helfen seine Brüder mit?

Ja, und wir sind froh darüber, das braucht es als Familie einfach. Es ist nicht immer leicht, man verlangt von den Geschwistern viel. Wir versuchen das dann halt auf andere Art zu kompensieren, vielleicht mal ein Auge zuzudrücken, wenn der Grosse nachts um drei vom Ausgang heimkommt (lacht).

Wegen Corona wurden Drehs fürs SRF abgesagt, deshalb starten Sie schon am 1.7. statt wie geplant am 1.11. bei CH Media, wo Sie als Co-Leiter die Eigenproduktionen verantworten. Spüren Sie Nervosität?

Nein, Vorfreude! Sendungen entwickeln, moderieren, schnelle, kurze Wege, einfach Fernsehen machen und sagen: Es ist nur das, keine OP am offenen Herzen. Dieser Aufbruch tut mir sehr gut.

Auf dem Sender 3+, der zu CH Media gehört, läuft zum Beispiel «Die Bachelorette». Müssen Sie sich das nun anschauen?

Es gibt im Leben kein Müssen, man kann mich zu nichts zwingen. Ich habe freiwillig reingeschaut und gestehe: Es hat mich leider schon etwas gepackt (lacht).

Und um solche Produktionen kümmern Sie sich in Zukunft?

Ich teile mir die Leitung mit Miriam Martino, die mit solchen Formaten grosse Erfahrung hat. Wir organisieren uns ab dem 1. Juli.

Wie viele Ideen haben Sie schon in der Schublade?

Drei. Aber ich verrate nicht welche. Nur so viel: Es wird ums Reisen gehen, unterwegs sein, Begegnungen – der Kern von dem, was ich kann, was für mich Leben ist. Ich freue mich, Grenzen zu öffnen.

Welche denn?

Alle möglichen: Das können Landesgrenzen sein, Stadtgrenzen, einfach etwas breiter denken.

Nicht mehr «einfach» von A nach B wandern?

Das Wandern ist natürlich eine Option, aber ich hoffe schon, dass ich da noch etwas Originelleres erfinde, sonst hätte ich ja nicht wechseln müssen.

Was werden Sie für ein Chef sein?

Das ist immer so eine Frage… Mir gefällt das Wort Chef nicht, es ist nicht zeitgemäss. Sicher, auf dem Set musst du fast diktatorisch entscheiden, damit’s vorwärtsgeht. Aber man sollte auch umschalten können. Ein Leitspruch ist für mich: Du bist ein guter Vorgesetzter, wenn du dich aufrichtig über den Erfolg deiner Untergebenen freust. Das ist mir wichtig. Vor ein paar Jahren hätte ich den Job noch nicht machen können.

Warum?

Ich hatte die Eitelkeiten noch nicht abgelegt – dass man selbst die besten Quoten, den grössten Erfolg haben will. Als Chef möchte ich eine Art Reiseführer sein. Du sagst, wo das Ziel ist, und läufst voraus. Wer schneller ist, darf überholen, soll dann am Ziel aber schon mal den Tisch decken und die Betten beziehen. Am Ende zählt die Teamleistung.