Wieder selbständig im Alltag

Die Psychiatriepflege der Spitex unterstützt und begleitet psychisch kranke Menschen zu Hause, bis sie wieder eigenverantwortlich ­leben können.

Robert B. leidet an einem Aufmerksamkeitsdefizit-Syndrom (ADHS) und einer Angststörung. Die immer wieder auftretenden Panikattacken ver­unmöglichten es dem 31-jährigen Mann in letzter Zeit sogar, seine täglichen Einkäufe zu erledigen. Um das Leiden the­rapeutisch anzugehen, wies ihn sein Arzt für sechs Wochen in eine psychiatrische Klinik ein. Zwar ging es ihm nach diesem Aufenthalt besser, jedoch nicht so gut, dass er zu Hause schon eigenständig zurechtgekommen wäre. Sein Arzt verordnete ihm daher den täglichen Besuch der Psychiatriepflege der Spitex, damit er in den eigenen vier Wänden wieder Fuss fassen konnte. «Ohne diese wertvolle Betreuung hätte ich es wohl nicht geschafft», sagt er rückblickend. 

Die für ihn zuständige Spitex-Mitarbeiterin brachte wieder Struktur in seinen Alltag und war mit ihm draussen unterwegs. «Sie begleitete mich Schritt für Schritt in einen wieder normalen Alltag und in die Selbständigkeit zurück und gab mir Sicherheit», sagt Robert B., dem es mittlerweile besser geht.

«Immer mehr Menschen lassen sich von der Spitex unterstützen», erklärt Marianne Pfister, Co-Geschäftsführerin von Spitex Schweiz. Seit ihren Anfängen kümmert sich die Spitex um Menschen, die aufgrund psychischer Probleme zu Hause Hilfe brauchen, aber sie tat dies zu Beginn eher unsystematisch. «Erst in den letzten zehn Jahren haben sich in der Spitex hochspezialisierte Psychiatrie-Teams entwickelt.»

Leiden erkennen

Oft stehe bei den von der Spitex betreuten Menschen ein körperliches Leiden im Vordergrund oder das psychische Leiden wird durch jahrelange Schmerzen und Einschränkungen ausgelöst, oder auch durch Einsamkeit. 

In der ambulanten Psychiatriepflege durch die Spitex dürfte der Anteil jüngerer Menschen an der Gesamtklientel besonders hoch liegen. Bereits in der Pandemie-Phase konnte ein Anstieg registriert werden. Einen direkten Zusammenhang zwischen den Anfragen und Behandlungen sowie den derzeitigen «in der Welt herrschenden Krisen» kann Marianne Pfister weder bestätigen noch dementieren. «Es gibt aber Studien, die zeigen, dass vor
allem jüngere Menschen durch diese Krisen mehr belastet sind.» 

Ziel der Psychiatriepflege zu Hause ist, dass die Klientinnen und Klienten ihren Alltag selbständig meistern können. Da gehöre es, je nach Diagnose, auch dazu, mit den Betroffenen nach draussen zu gehen, die soziale Kontaktaufnahme zu trainieren oder mit den Betroffenen eine Strategie zu finden, mit vorhandenen Ängsten umzugehen. Wie oft die Spitex-Mitarbeitenden ihre Klientinnen und Klienten besuchen, hängt von verschiedenen Faktoren ab. Dies kann einmal täglich, einmal in der Woche oder alle zwei Wochen sein. «Klar ist, dass die Menschen so lange auf unser Angebot zählen dürfen, bis sie wieder selbständig ohne unsere
Unterstützung zu Hause leben können.» 

Wie alle Spitex-Leistungen werden – nach einer umfassenden psychiatrischen Bedarfsabklärung – auch die psychiatrischen Spitex-Dienste ärztlich verordnet und von der Grundversicherung der Krankenkasse bezahlt. «Diese Leistung können allerdings nur jene Spitex-Organisationen, welche Psychiatrie-Pflegepersonen angestellt haben, erbringen», erklärt Marianne Pfister weiter. Es komme auch vor, dass mehrere Spitex-Organisationen im Verbund psychiatrische Leistungen erbringen.