Wenn Licht wehtut

Lichtarme Monate wie der Januar sind für Menschen, die an einer Lichtkrankheit leiden, eine Erleichterung. Weil sie dann mehr Zeit haben, ins Freie zu gehen, ohne dass es ihnen schadet.

Eine wunderschöne Winterlandschaft, Schnee und Sonnenschein – für die Molekularbiologin Dr. Jasmin Barman (38) war das die meiste Zeit ihres Lebens eine furchterregende Vorstellung. Ihre Haut verträgt keine Sonnenstrahlen. Wie Feuer unter der Haut fühlt es sich für sie an, wenn sie sich trotzdem zu lange der Sonne aussetzt. Und zu lange können schon einige Minuten sein.

Erythropoietische Protoporphyrie (EPP) heisst die Erkrankung, die mit solchen Symptomen einhergeht. Eine Stoffwechselerkrankung, bei der die Herstellung des roten Blutfarbstoffs nicht richtig funktioniert. Jasmin Barman leidet seit frühester Kindheit daran. Schon als Baby schrie sie, wenn sie der Sonne ausgesetzt war – warum, wusste damals niemand. Eine Sonnen- oder Lichtallergie wurde schliesslich angenommen – doch mit einer Allergie hat das Ganze nichts zu tun. Auch psychische Gründe wurden vermutet, und nicht selten wurde sie auch der Simulation verdächtigt. Es dauerte Jahrzehnte, bis sie – vor allem durch eigenes hartnäckiges Forschen – ihrer Krankheit auf die Schliche kam. Heute erforscht sie sie am Triemlispital in Zürich.

Schmerzen unter der Haut

EPP gehört zu den seltenen Krankheiten – von 100 000 Menschen betrifft sie ungefähr einen. Man schätzt, dass in der Schweiz etwa 80 Personen daran leiden. Bei Licht entsteht unter ihrer Haut eine entzündliche Reaktion, die einen massiven Verbrennungsschmerz verursacht. Sogar Körperwärme von anderen Menschen ist für die Betroffenen dann sehr schmerzhaft, deshalb stossen Kinder ihre Eltern weg, wenn sie sie tröstend in die Arme nehmen wollen. «Nachts kann man nicht schlafen, weil die eigene Körperwärme so schmerzhaft ist», sagt Dr. Barman.

Sonnenschutzmittel sind bei EPP praktisch wirkungslos, denn nicht die UV-Strahlung verursacht das Problem, sondern das sichtbare Licht, vor allem die blauen Anteile. Und wenn es feuert unter der Haut, und der Schmerz kaum auszuhalten ist, helfen Schmerzmittel nichts: «Man muss die Schmerzen einfach aushalten.» Und vorsorgen, sie vermeiden, indem man der Sonne aus dem Weg geht, die Haut lichtdicht zudeckt. Ein spezieller Regenschirm, der aussen die Sonne reflektiert und innen die Strahlen absorbiert, die trotz allem von der Seite unter den Schirm gelangen, war viele Jahre lang der ständige Begleiter von Jasmin Barman. Heute hat sie ihn nicht mehr immer dabei. Denn es gibt inzwischen ein Medikament, das EPP-Betroffenen ein nahezu «normales» Leben ermöglicht! Was das bedeutet, kann wohl nur jemand ermessen, der es selbst erlebt hat. «Es ist wie ein neues Leben», sagt Jasmin Barman.

Gefährliche Energiesparlampen

Am Anfang konnte sie es selber kaum glauben. «Ich war sehr skeptisch», erzählt sie. Erst wagte sie sich nur wenige Minuten in die Sonne, tastete sich vorsichtig an die neue Freiheit heran. Dann wurde sie mutiger. Zwar hat sie sich bis heute noch nie in ein Schwimmbad gewagt, und im Bus weiss sie genau, wo sie sich am besten hinsetzt. Aber inzwischen hat sie sich sogar ihren Traum erfüllt, einmal die Mammutbäume in Kalifornien zu sehen: «Im August 2015 haben mein Mann und ich eine wunderbare Reise durch die USA unternommen. Das wäre ohne die Behandlung undenkbar gewesen.»

Alle zwei Monate braucht Jasmin Barman eine Dosis des Medikaments, das implantiert wird und dessen Träger sich nach Abgabe des Wirkstoffs selbst auflöst. Im Winter kommt sie inzwischen sogar ohne aus. «Allerdings kenne ich Betroffene, die sehr empfindlich auf künstliche Lichtquellen sind – besonders das Licht der neuen Energiesparlampen ist sehr gefährlich für uns», sagt sie. «Manche Patienten benötigen daher den Schutz rund ums Jahr.»

Noch bekommen ihn allerdings nicht ganz alle – eine Schweizer Krankenkasse übernimmt die Kosten bis jetzt noch nicht. «Wir hoffen, dass nun auch die letzte Kasse ihren Patienten bald ein fast normales Leben mit Licht und Freude an der hellen Jahreszeit ermöglichen wird», erklärt Dr. Barman. Das Sonnenlicht nicht als Feind zu erleben, sondern all die positiven Aspekte geniessen zu können, die es für das Gemüt hat – dieses Glück möchte sie allen Betroffenen gönnen: «Einfach mal die Wärme der Sonne auf der Haut zu spüren und sich über einen hellen Tag zu freuen, anstatt Angst vor Schmerzen haben zu müssen, das ist so viel Lebensqualität und Freiheit – nicht nur für mich, sondern für mein ganzes Umfeld.»

Was ist EPP?

Die erythropoietische Protoporphyrie ist eine Stoffwechselstörung, die auf einem seltenen genetischen Defekt beruht, der sich auf die Blutbildung auswirkt. Sie äussert sich in einer äusserst schmerzhaften Empfindlichkeit auf Licht, vor allem Sonnenlicht. Der Haut ist jedoch meistens nichts anzusehen. Nicht die UV-Strahlung verursacht eine Verbrennung der Haut, sondern die blauen Anteile des Lichts. Auch die Leber kann durch die Erkrankung in Mitleidenschaft gezogen werden, wenn sich zu viel Protoporphyrin in den Leberzellen ablagert.