Schwelbrand im Körper

Stille chronische Entzündungen bleiben oft unbemerkt. Sie können aber schwere gesundheitliche Folgen haben. Mit einer Änderung des Lebensstils kann der schädliche Prozess jedoch gestoppt werden.

Was haben Krebs, Herz-­Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes gemeinsam? Viel mehr, als manch eine denkt. Denn obwohl diese Erkrankungen für sich auftreten und behandelt werden, haben sie oft denselben Ursprung: in sogenannt niederschwelligen chronischen Entzündungen (NCE). Niederschwellig bedeutet im Fall einer stillen Entzündung, dass diese – im Gegensatz zu einer akuten Entzündung – nicht direkt wahrnehmbar ist, sie aber mit der Zeit dennoch er­hebliche Folgen verursacht. Solch stille Entzündungen schwächen das Immunsystem und können die Entstehung von Erkrankungen wie Diabetes, Krebs, Herzinfarkt, Schlaganfall und Demenz begünstigen.

Betroffene merken nichts

«Chronische Entzündungen sind ein stark unterschätztes gesundheitliches Problem», sagt Paolo Colombani, Schweizer Ernährungswissenschaftler und Autor des neu erschienenen Buchs «deFlame You!» (siehe Kasten). Denn das Tückische daran ist die Stille. So schreiten die entzündlichen Prozesse oft jahrzehntelang voran, ohne dass die Betroffenen etwas davon merken. Ähnlich einem Schwelbrand, der sich langsam im Körper ausbreitet. Durch fehlende, offensichtliche Symptome wird der gefährliche Verlauf oft nicht erkannt und fällt auch bei einer üblichen Blutuntersuchung nicht immer auf.

«Man müsste spezifisch darauf schauen, aber im Gegensatz zur Wissenschaft ist in der Praxis die Bedeutung der stillen Entzündung noch nicht angekommen.» Gemäss Paolo Colombani nimmt eine chronische Entzündung ihren Anfang meist im Fettgewebe oder im Darm. Die in diesen Geweben angesiedelten Makrophagen (Fresszellen), die zu den Zellen des Immunsystems gehören, geraten aus dem Gleichgewicht und sondern entzündungsfördern­de Botenstoffe ab.

Auslöser für diesen Prozess sind oft Faktoren wie körperliche Inaktivität, Übergewicht sowie Fremdstoffe aus der Umwelt wie Zigarettenrauch, Luftverschmutzung oder Asbest. Aber auch chronischer Stress spielt eine Rolle. «Die ersten Entzündungsmarker im Blut entstehen bereits 20 Minuten nach Beginn der mentalen Stresssituation», weiss Colombani.

Während man bis vor wenigen Jahren beim Begriff «Fettleber» sofort an Alkohol dachte, sorgen heute vor allem Übergewicht, falsche Ernährung und damit verbundene Stoffwechselstörungen dafür, dass jeder vierte Erwachsene eine verfettete Leber aufweist. «Dabei handelt es sich keineswegs um ein harmloses Fettdepot», warnt der Experte. «Hier werden die Weichen für Entzündungs- und Stoffwechselprozesse gestellt, welche Auswirkung auf den gesamten Organismus und unsere Gesundheit haben.»

Warnlampe auf Orange

Auch Bauchfett (viszerales Fett) produziert in grossen Mengen Entzündungsbotenstoffe, die sich über das Blut im Körper verteilen und Krankheiten wie beispielsweise Diabetes oder Depression zur Folge haben können. Solange sich Betroffene im Stadium einer sehr geringen stillen Entzündung be­finden, steht die Warnlampe auf Orange. Denn dieser Zustand kann – wenn er rechtzeitig erkannt wird und Massnahmen getroffen werden – noch rückgängig gemacht werden. «Dafür ist aber eine Umstellung der Ernährung und des Lebensstils nötig», sagt Paolo Colombani. «In erster Linie gilt es, in Bewegung zu gelangen und den Darm happy zu machen. Je zufriedener der Darm und körperlich aktiver man ist, desto weniger Entzündungsbotenstoffe werden produziert.» Ein Schwerpunkt sollte daher auf einer entzündungs­hemmenden Ernährung liegen. «Die mediterrane Ernährung mit frischem Obst, Gemüse, Olivenöl und Fisch ist dafür sehr ideal», erklärt der Ernährungswissenschaftler. Zudem sollte auf das Rauchen verzichtet und mehr Bewegung in den Alltag eingebaut werden.

Buchtipp

Paolo Colombani: «deFlame You! – Löschen Sie Ihren inneren Schwelbrand», E-Book, Fr. 29.90, www.­colombani.ch