Safran
Macht mehr als «gel»
Er ist ein Gift, sagt der Chemiker. Ein Heilmittel, meint der Arzt. Er ist eine Droge, findet der Apotheker. Ein Gewürz und Färbemittel, sagt der Koch und Bäcker. Alle haben sie recht: Die Rede ist vom Safran.
Wir schreiben das Jahr 1536. In Deutschland erscheint Band 1 des Werks «Die grosse Wundartzney», eine Zusammenstellung des kompletten medizinischen Wissens jener Zeit. Der Autor ist ein gewisser Theophrastus Bombast von Hohenheim, genannt Paracelsus, geboren in Egg bei Einsiedeln SZ. Schon fast prahlerisch schreibt der grosse Arzt: «Ich hab ein archanum, heiss ich laudanum, ist uber das alles wo es zum tot reichen wil.» Ein Arkanum ist ein Geheimmittel, das in diesem Fall gegen alles wirkt, und Laudanum war eine bis ins letzte Jahrhundert hinein häufig verwendete Flüssigarznei, ein universelles Schmerzmittel, ein Allheilmittel schon fast: Opium, gelöst in spanischem Wein und aromatisiert mit – Safran!
Geruch nach Rosenblättern
Das Gewürz wird aus den getrockneten orange-roten Stempelfäden der zartvioletten Blüten von Crocus sativus gewonnen, einer Krokusart. Die Ernte erfolgt in Handarbeit, jede Blüte zählt höchstens drei Stempelfäden, sodass ein Bauer im Wallis, in der Bündner Herrschaft oder in der Safranhochburg Iran für ein Kilo zwischen 150 000 und 250 000 Blüten ernten muss. Das erklärt den hohen Preis von Safran. Und es erklärt, warum Fälscher, die das Gewürz mit Sandelholz streckten, in Zofingen AG im Jahr 1456 verbrannt wurden.
«Safran macht den Kuchen gel», heisst es etwas holperig in einem Kindervers. Es ist das Carotinoid Crocin, das dem Safran die gelbe Farbe verleiht – in der spanischen Paella wie im italienischen Risotto milanese. Frisch geernteter Safran riecht süsslich nach Rosenblättern, Jasmin und Zitrusfrüchten. Getrocknet ändert sich sein Geschmack, er wird würzig, erdig, rauchig, ledrig und schmeckt nach Moschus und Tabak.
Doch als Paracelsus einst am Laudanum tüftelte, ging es ihm weniger um die geschmacklichen Vorzüge als vielmehr um die pharmakologischen Eigenschaften des Safrans, der «ein fröhlich und gut Geblüt» mache. Ihn überzeugte die Kombination von Wirkungen: Safran ist krampflösend, schmerzlindernd und stimmungsaufhellend. Damit weist er eine Verwandtschaft zu einer besonderen Stoffklasse auf: dem Opium. Frühere Arzneikundige setzten Safran mit seiner morphinähnlichen Wirkung denn auch bei Kindern ein, die an Keuchhusten litten.
Comeback als Arzneimittel
Lange Jahre als Arznei vergessen, wird Safran heute von der Medizin wiederentdeckt. Das rote Gold wirkt sich positiv auf das Herz-Kreislauf-System aus, senkt den Blutdruck, wirkt nach wie vor allgemein schmerzstillend. Vor allem aber weckt er bei Medizinern grosse Erwartungen als Mittel gegen Stimmungsschwankungen, Angst, Depression und Stress.
Entscheidend für diese Wirkung sind die Pflanzenstoffe Crocin und Crocetin, welche die Stresssignale zu dämpfen vermögen. Andere Inhaltsstoffe erhöhen zusätzlich den Nervenbotenstoff Serotonin, der für das Wohlbefinden wichtig ist. Gleichzeitig nehmen die Forschenden an, dass die Dämpfung der Stresssignale im Gehirn die Zellen vor Abbau schützt und bei Demenzkranken die Gedächtnisfunktion verbessert.
Wie lautet Paracelsus’ wohl bekannteste Erkenntnis? Genau: Die Dosis macht das Gift. Also keine Sorge! Ein handelsübliches Tütchen von 0,125 Gramm reicht gut und gern für drei Laune machende Portionen Risotto milanese.