Flüssig muss es sein!

Wenn Blut zu rasch gerinnt oder zu Klumpenbildung neigt, ist das hochgefährlich. Blutverdünner heisst die Lösung. Viele Menschen leben täglich mit entsprechenden Medikamenten. Und dadurch auch mit Risiken.
 
 
Wenn Eliane B. (55) zum Zahnarzt geht, will das gut vorbereitet sein. Schon zwei Wochen vor dem Termin beginnt sie mit ärztlicher Begleitung, die Medikamente herunterzufahren, die sie sonst täglich schlucken muss. Die Tabletten – sogenannte Vitamin-K-Antagonisten – helfen normalerweise, ihr Blut flüssig zu halten, sorgen dafür, dass es keine Gerinnsel bildet, die ihre Gefässe verstopfen könnten. Doch bei einer Verletzung oder bei einem chirurgischen Eingriff werden sie zum Risiko. Der gleiche Mechanismus, der dafür sorgt, dass das Blut schön fliessen kann, verhindert dann, dass eine Blutung rechtzeitig aufhört. Deshalb kann auch eine an sich harmlose Verletzung oder Nasenbluten gefährlich werden für die Verwaltungsangestellte.

Auch eine regelmässige Kontrolle der Gerinnungsfähigkeit des Blutes ist nötig. «Quick» heisst dieser Test, der alle paar Wochen fällig wird – den Namen verdankt er seinem «Erfinder», dem Norweger A.J. Quick. Heute wird allerdings anstatt des Quick meist der sogenannte INR-Wert zur Kontrolle der Wirkung der Vitamin-KAntagonisten angewendet. Ist dieser Wert zu tief, besteht erhöhte Thrombose- oder Embolie-Gefahr. Liegt er zu hoch, können Blutungen zum Beispiel im Magen-Darm-Trakt oder Nasenbluten auftreten. Wer sogenannte Vitamin-K-Antagonisten schluckt, muss deshalb immer richtig «eingestellt» sein.

Vitamin-K-Antagonisten sind aber nicht die einzigen Medikamente, die im Volksmund unter dem Ausdruck «Blutverdünner» zusammengefasst werden. Auch Aspirin gehört dazu. Ebenso Heparin, ein Wirkstoff, der entweder unter die Haut gespritzt oder per Infusion verabreicht wird.

Der Ausdruck «Blutverdünner» ist übrigens etwas irreführend, denn dünner wird das Blut eigentlich nicht. Es wird nur flüssiger gehalten, das heisst, seine Gerinnung wird gehemmt und damit die Gefahr, dass es in den Blutbahnen einen gefährlichen Pfropf bildet.

Wer braucht Blutverdünnung?
«Hier muss man unterscheiden zwischen Aspirin und den ‹echten› Blutverdünnern wie Heparin und Vitamin-K-Antagonisten», erklärt Prof. Peter E. Ballmer, Chefarzt Innere Medizin am Kantonsspital Winterthur. «Aspirin kommt nach Schlaganfall,Herzinfakt, bei Angina pectoris oder der sogenannten Schaufensterkrankheit zum Einsatz, also bei allen Formen von Arteriosklerose. Wir sind heute der Meinung, dass es bei Zahnarztbehandlungen und Operationen – mit ganz wenigen Ausnahmen – nicht abgesetzt werden darf.»

Bei einer tiefen Beinvenenthrombose oder einer Lungenembolie nützt Aspirin nicht. Auch bei Patienten mit Vorhofflimmern, also Herzrhythmusstörungen, sind Vitamin-K-Gegenspieler wie Marcoumar angesagt. «Sie wirken anders als Aspirin», erklärt Prof. Ballmer. «Während Aspirin die Verklebung der Blutplättchen verhindert, hemmendie eigentlichen Blutverdünner die Bildung von Blutgerinnungsfaktoren.» Auch nach neuen Medikamenten wird übrigens intensiv geforscht. Eine ganze Reihe von neuen Gerinnungshemmern ist zurzeit im Stadium der klinischen Überprüfung. Sie sollen schneller und konstanter wirken als die bisherigen Gerinnungshemmer und zudem keine Laborkontrolle brauchen.

Aber auch die Patienten können heute lernen, ihre Gerinnungswerte selber zu kontrollieren – wenn sie denn möchten . «Vor allem jüngere Menschen mit einer künstlichen Herzklappe, die ein Leben lang Blutverdünner brauchen, lernen den Umgang mit dem Quick gerne – das macht sie sehr viel unabhängiger», weiss Prof. Ballmer. «Manchmal funktioniert die Kontrolle durch die Patienten selber sogar besser, vor allem bei Patienten, die viel reisen müssen.»

Eliane B. geht für die Kontrolle aber lieber zum Arzt. «Dann fühle ich mich sicherer», sagt sie. «Und meistens habe ich ja gleich noch die eine oder andere Frage, die dann gleich geklärt werden kann.»
 
Hier heissts aufpassen
Wenn Sie Blutverdünner brauchen, sollten Sie Folgendes beachten:

  • Rauchen: Es schädigt nicht nur die Lungen, es ist Gift für die Blutgefässe und führt zu Arteriosklerose mit viel höherem Risiko, einen Schlaganfall, Herzinfarkt oder sogenannte «Raucherbeine» zu erleiden.
  • Essen: Wer Blutverdünner schluckt, sollte regelmässig und ausgewogen essen. Plötzliche Ernährungsumstellungen, Fastenkuren, aber auch zu viel Alkohol sind ein Risiko.
  • Schmerzmittel: Auch «harmlose» Schmerzmittel wie Kopfwehtabletten können die Blutungsgefahr erhöhen. Fragen Sie Ihren Arzt, bevor Sie solche Medikamente schlucken.
  • Arztbesuch: Informieren Sie Ihren Arzt und Ihren Zahnarzt, wenn Sie blutverdünnende Medikamente einnehmen. Tragen Sie den Ausweis immer auf sich.