Schweizer Schildbürger

Die Europäische Sumpfschild­kröte ist die ­einzige ihrer Art in unserem Land. In Ge­wässern jagt sie nach Larven oder Schnecken.

Gemächlich paddelt die Europäische Sumpfschildkröte durchs Schilf. In Zwischenstopps fährt sie ihr Periskop aus: Sie streckt ihren Kopf aus dem Wasser. Da! Was Leckeres! Schnellen Panzers taucht sie zum toten Fisch und versenkt ihre Kiefer im Fleisch. Ruckartig reisst sie Bissen um Bissen aus dem Brocken.

Die Braunschwarze mit den gelbgoldenen Punkten ist die einzige Schildkrötenart, die sich auch in unseren Breitengraden wohlfühlt. Einst war sie in der Schweiz in jedem Feuchtgebiet heimisch. Archäologen fanden in einer Höhle im Unterwallis Schildkröten-Überreste – eine Hinterlassenschaft von Jägern. Die Steinzeit-Menschen blieben nicht die einzigen, die das Fleisch schätzten. Mittelalterliche Chroniken berichten vom Schildkrötenfang am Neuenburgersee. Und der Schweizer Arzt und Naturforscher Conrad Gessner (1516 – 1565) schwärmt in seinem «Thierbuch» von heilenden Kräften der «Schild-Krotten»: «Schild-Krotten-Blut man in der Colic trincken thut. Es ist auch vor das Gifft und böse Sachen gut.»

Ob’s gegen Bauchweh, Gift und alles Böse half, hat Gessner nicht überliefert, doch für die Schildkröte war ihr Ruf als medizinische Allzweckwaffe nicht überlebensfördernd. Ihr Bestand ging dramatisch zurück: Die Rote Liste aus dem Jahr 1994 führt sie in der Schweiz als ausgestorben auf. Ob die Schildkröte ganz aus unseren Gewässern verschwunden war, ist unklar. In Untersuchungen konnten Forscher sie im Mittelland, im Tessin und in niederen Lagen des Wallis nachweisen.

Besonders wohl fühlen sich die Tiere im Naturschutzgebiet Moulin-de-Vert bei Genf – mehr als 300 Tiere jagen in den Altarmen der Rhone u. a. nach Insektenlarven. Die Reptilien finden dort genügend Stellen fürs Sonnenbaden, denn ohne Sünnele läuft bei den wechselwarmen Tieren nix! Sogar die Geschlechtswahl des Nachwuchses überlassen sie der Sonne: Ist es in der Grube unter 28   Grad, schlüpfen nur Männchen, ist es über 29,5  Grad, gibt’s nur Weibchen.