Raubkatze im Anmarsch?

Obwohl man sie kaum sieht, sind sie da und vermehren sich: Die Zahl der Luchse in der Schweiz erhöht sich Jahr für Jahr.

Auf leisen Pfoten: Während der Bär und der Wolf immer wieder heiss diskutierte Themen sind, streift ein anderes Raubtier fast unbeachtet durch unsere Wälder: der Luchs. Anfang des 20. Jahrhunderts wurde er ausgerottet, in den 1970er-Jahren jedoch wieder angesiedelt. Und der Bestand wächst – langsam zwar, aber stetig.

Gab es 2010 in der Schweiz noch rund 130 unabhängige, also über ein Jahr alte Luchse, sind es heute etwa 170. «Eine in unseren Augen erfreuliche Zahl», sagt Wildbiologe Fridolin Zimmermann von KORA (Raubtierökologie und Wildtiermanagement). «Zumal heute weniger als 10 Prozent des Alpenraums vom Luchs besiedelt ist. Eine positive Entwicklung beobachtet man jedoch in den Westalpen, und diese ist vor allem auf die Schweiz zurückzuführen. Sie beherbergt die einzige vitale Population.» Im östlichen Alpenraum dagegen sehe es nicht besonders gut aus, etwa im Dreiländereck Österreich, Slowenien und Norditalien oder in den Kalkalpen in Österreich. Die Gründe seien Wilderei, mangelnde genetische Vielfalt, aber auch die Zerteilung des Lebensraums durch natürliche und künstliche Hindernisse.

In der Schweiz ist die Akzeptanz gegenüber dem Luchs relativ gross. Vermutlich, weil die Schäden an Nutztieren sich in einigermassen kleinem Rahmen bewegen: 2015 waren es gesamtschweizerisch 26 Verluste. «Das hat wohl verschiedene Gründe», sagt Zimmermann. «Zum einen greifen Herdenschutzmassnahmen, die teils auch für den Wolf eingeführt wurden. Zum anderen scheinen Luchse Schafe beispielsweise gar nicht sonderlich zu mögen. Sie verfolgen Beute nicht, legen sich lieber auf die Lauer und töten mit einem gezielten Kehlbiss. Luchse fressen hauptsächlich Rehe und Gemsen.» Deshalb stören die geschützten Raubkatzen auch einen Teil der Jäger.

Hierzulande leben die Tiere hauptsächlich im Jura, von den Nordwest- bis in die westlichen Zentralalpen sowie in der Nordostschweiz, wo ab 2001 eine kleine Population durch Umsiedlung gegründet wurde. Es gibt aber auch Nachweise aus anderen Regionen. Gut möglich etwa, dass die östliche Zentralschweiz, Graubünden und das Tessin in Zukunft noch stärker besiedelt werden. Auch im Mittelland leben einige Luchse, aber die Bedingungen sind durch Besiedlung und Verkehr etwas schwierig. «Für eine vitale Luchs-Population braucht es grosse, zusammenhängende Wälder», sagt der Experte. In welche Himmelsrichtungen und in welchem Ausmass sich der Luchs noch ausbreitet, ist am Ende nur schwer vorauszusagen – aber er tut es offenbar weiter. Spannend!