Killer auf Samtpfoten

Glück gehabt! Mit einem Satz hat sich die Feldmaus gerade noch ins hohe Gras gerettet. Die Jägerin geht leer aus. Egal, denn der nächste Schatten hat bereits die Aufmerksamkeit der Hauskatze geweckt.

Unsere verschmusten Büsi sind gute Jägerinnen. Das liegt in ihrer Natur. Obwohl sie seit 9500 Jahren beim Menschen leben, haben sie ihr ursprüngliches Verhalten nie ganz abgelegt. Und wie ihre wild lebenden Verwandten durchstreifen Hauskatzen beim Jagen grössere Gebiete. Ihr Jagdinstinkt ist dabei so stark ausgeprägt, dass sie sich selbst wohlgenährt Vögel oder Säugetiere krallen.

2018 lebten in der Schweiz knapp 1,6 Millionen Hauskatzen. Von diesen haben ca. eine Million Auslauf ins Freie und damit die Möglichkeit, zu jagen. Das macht unsere Stubentiger zum häufigsten nicht heimischen Beutegreifer.

Ein wie grosser Schaden dabei entsteht, darüber streiten sich Katzenliebhaber und Naturschützer. Die Weltnaturschutzunion IUCN führt die Hauskatzen auf ihrer Liste mit den hundert eingeführten Arten, die die grössten Probleme verursachen. So weiss man von Inseln, auf denen Hauskatzen in jüngster Zeit an der Ausrottung von 33 Vogel-, Säugetier- oder Reptilienarten beteiligt waren.

Wie viele Kleintiere in der Schweiz von umherstreifenden Hauskatzen erbeutet werden, ist noch nicht untersucht. Etwas Licht in ihr Treiben ausser Haus wirft eine Studie aus den USA: 2010/11 bestückten Katzenbesitzer in Athens (Georgia) für eine Studie ein Jahr lang ihre Lieblinge mit einer Halskamera. Diese Crittercams zeichnen das Sichtfeld der Katzen auf: So sind Jagdverhalten, Herumstreunen oder Revierkämpfe hautnah mitzuerleben.

30 Männchen und 25 Weibchen zwischen sechs Monaten und 20 Jahren wurden für die Studie registriert. Acht waren auf dem Land zu Hause, 47 in der Vorstadt. Alle waren sterilisiert und durften raus. Die Videoauswertung einer Woche mit lauen Sommernächten zeigte: 44 Prozent gingen mindestens einmal auf die Jagd, schlichen sich an oder verfolgten ihre Beute. 39 Mal schlugen sie zu.

Bean war während der sieben Tage am erfolgreichsten: Der Kater holte sich zwei Reptilien, zwei Säugetiere und zwei Amphibien. Buddy, Summer und Zoe kamen auf je vier Beutetiere, weitere 20 Katzen fingen jeweils ein bis drei Tiere. Was die Studie ebenfalls zeigte: Die 24 erfolgreichen Jäger fingen vor allem heimische Wildtiere – unter den 39 Opfern befand sich eine einzige Hausmaus.

Sieben laue Sommernächte, 24 Jäger, 39 Opfer – das tönt nun nicht gerade nach grossem Schaden. Doch wenn man die Zahlen für alle Schweizer Freigang-Büsi extrapoliert, wird die Opferzahl eindrücklich: 440 000 Jäger würden in sieben Nächten 312 000 kleine Tiere erbeuten. Bei den Vögeln trifft’s oft Rotkehlchen, Amseln, Meisen oder Spatzen. Doch zwischen den Krallen der Katzen enden auch Frösche, Eidechsen und Blindschleichen. Und natürlich: ganz viele Mäuse!