Jetzt melden sich die Mini-Könige zu Wort

Bisher verhielten sich die «Vögel des Jahres» eher still. Nun aber lassen die Zaunkönige lautstark von sich hören: Sie müssen ihr Reich schaffen – und bald auch ihre Verführungskünste unter Beweis stellen.
 
Wer in diesen Tagen morgens das Fenster öffnet, könnte mit schmetternden Tönen begrüsst werden. Der Zaunkönig, der vom Schweizer Vogelschutz SVS/Birdlife Schweiz zum «Vogel des Jahres» gekürt wurde, baut sein Königreich auf: Er markiert sein Revier. «Sein Gesang erreicht eine Lautstärke von bis zu 90 Dezibel», erklärt Christa Glauser, stellvertrende Geschäftsführerin der Naturschutz-Organisation. «Besonders faszinierend ist sein lautes Organ, wenn man ihn sich ansieht: Er ist so klein und ‹schnusig›, aber gleichzeitig keck.»

Nur etwa zehn Zentimeter misst ein Zaunkönig, trotzdem ist er in vielen Bereichen ganz gross – etwa wenn es ums andere Geschlecht geht: Da kommt ein richtiger Casanova zum Vorschein. Seine «Jagdsaison» steht kurz bevor: Ab Anfang April umwirbt er die Weibchen, und hat er Glück, dann kann er in Ausnahmefällen sogar bis zu fünf Stück bis Anfang Juli erobern – eins nach dem anderen, versteht sich. Dabei gibt er sich Mühe und baut verschiedene sogenannte Spielnester. Das sind Nester im Rohbau. Das jeweils aktuelle Weibchen kann sich eines aussuchen und ist dann für den Innenausbau zuständig, also die Polsterung. «Dort legt es fünf bis sieben Eier ab und brütet rund 15 Tage», sagt Christa Glauser. «Die Jungtiere werden von der Mutter fast alleine grossgezogen.» Er muss sich ja schliesslich nach neuen Damen umschauen.

Der Bestand an Zaunkönigen in der Schweiz ist hoch, rund 250 000 bis 350 000 Paare leben im ganzen Land. Ihre Nester legen sie am Boden oder in bodennahen Lagen, bis etwa einen Meter Höhe, an. «Sie sind wahre Baumeister und finden auch im Siedlungsraum geeignete Nischen.»

Dazu sind sie fast gezwungen: Im Wald fehlen ihnen mehr und mehr die Möglichkeiten, denn sogenanntes Totholz, das am Waldboden liegt, wird heutzutage oft als Brennholz gebraucht, dabei wären gerade dort ideale Nistplätze. Und zudem tummeln sich da Spinnen und Insekten aller Art, von denen Zaunkönige sich ernähren. Auf der Jagd nach ihrer Beute schlüpfen sie übrigens sehr geschickt durch die Zweige des Unterholzes. Glauser: «Der Zaunkönig ist unser Botschafter für die Vielfalt im Wald. Es wäre oft besser, wenn dort etwas weniger ‹aufgeräumt› würde, denn Totholz, Asthaufen und genügend Unterholz liefern nicht nur Nährstoffe, die verhindern, dass der Boden versauert, sie sind auch lebenswichtig für rund 5000 Arten – seien es Insekten, Vögel oder auch Pilze, die dort beherbergt sind.» Sänger, Baumeister, «Frauenschwarm» und dazu Botschafter für den Naturschutz: Der kleine Zaunkönig hat den Titel «Vogel des Jahres» wahrlich verdient!