Ein spezieller Wasservogel

Fressen uns Graureiher die Fische weg? Davon ging man früher aus, was den Tieren damals beinahe zum Verhängnis wurde. Heute aber fühlen sie sich pudelwohl bei uns – und fressen fleissig Mäuse.

Sie stehen am Seeufer, auf Feldern oder fliegen übers Land: Graureiher sind vielen ein vertrauter Anblick – und einer, der immer wieder faszinierend ist. Mit ihrer beachtlichen Grösse, ihrem feinen Körper und einer Flügelspannweite von etwa 1,80 Meter vermögen sie zu beeindrucken.

Rund 1500 Brutpaare gibt es in der Schweiz. Sie brüten in lockeren Kolonien aus mehreren Paaren und kommen fast im gesamten Land unterhalb 700 Meter vor. «Ihnen geht es hier sehr gut», erzählt Michael Schaad von der Vogelwarte Sempach. «Das war nicht immer so: Ende des 19. Jahrhunderts gab es nur noch etwa 50 Paare. Sie wurden fast ausgerottet, weil vermutet wurde, dass sie einen grossen Einfluss auf die Fischbestände haben. Dies konnte aber widerlegt werden, und seit sie 1926 geschützt wurden, hat sich ihr Bestand gut erholt.»

Die Vögel wurden früher auch Fischreiher genannt – was gar nicht so gut zu ihnen passt, wie man denken würde: Neben Fischen ernähren sie sich nämlich insbesondere von Kleinsäugern wie Mäusen. Daneben stehen Regenwürmer, Amphibien und Krebstiere auf ihrem Speisezettel. Fische sind speziell im Winter wichtig, wenn andere Nahrung schwerer erreichbar ist. «Da Graureiher nicht auf dem offenen Gewässer fischen, sondern am Ufer, ist es gar nicht immer so leicht für sie, im Wasser an Beute heranzukommen», erklärt Schaad.

Die anpassungsfähigen Tiere haben sich zu Kulturfolgern entwickelt. Auf den Feldern können sie bestens jagen, und mit der intensiven Landwirtschaft konnten sie sich im Gegensatz zu anderen Tieren offensichtlich gut arrangieren. Auch an Gartenweihern – wo die Fische schlecht entwischen können – sind sie durchaus mal anzutreffen. Es ist noch nicht einmal so, dass Graureiher nur an Seen oder Flüssen brüten. Sie bauen ihre Nester meist hoch in Bäumen, auch abseits von Gewässern. Sie gelten zwar als Wasservögel, haben mit Enten, Schwänen und Co. aber wenig gemeinsam. Das zeigt vor allem eines ganz deutlich: Graureiher sind einzigartig!