Ein schnusiger Unbekannter

Höchste Zeit, dass dieses Tierchen ins Rampenlicht rückt: Der Gartenschläfer ist derzeit auf einer Briefmarke abgebildet. Er lebt ganz heimlich in unseren Wäldern und ist daher vielen Menschen fremd.

Jöh, so ein Schnüggel! Auf einer Sondermarke der Post hat derzeit ein Gartenschläfer seinen grossen Auftritt. Das herzige Kerlchen ist in der Serie «nachtaktive Tiere» abgebildet − und hinterlässt wohl bei vielen Betrachtern Fragezeichen. Das Tier lebt so heimlich, dass viele Leute noch nie von ihm gehört haben. «In Graubünden, Tessin, Wallis und Jura kommen Gartenschläfer oft vor, besonders ab etwa 1200 Meter über Meer», erzählt Dr. Jürg Paul Müller, Biologe und langjähriger Direktor des Bündner Natur­museums in Chur. «Im Mittelland hingegen gab es im letzten Jahrzehnt nur sehr wenige Nach­weise. Das überrascht allerdings nicht sehr, wenn man die intensive Landwirtschaft und die Überbauung von Lebens­räumen dort betrachtet.»

Gartenschläfer sind in Wäldern zu Hause, gerne auch in felsigen Gebieten. Wenn es dämmert, begeben sie sich auf Nahrungssuche. Auf dem Speiseplan stehen u. a. Insekten, deren Larven, aber auch Früchte und Samen – es sind Allesfresser. Die Tiere gehören zu den Schlafmäusen (Bilchen) und sind unter anderem mit den Siebenschläfern verwandt. Genau wie diese machen sie einen langen Winterschlaf. Schon im September verkriechen sie sich wohlgenährt: Sie haben dann etwa das doppelte Gewicht als im «Normalzustand» und können daher bis Mitte April schlafen.

Gleich darauf ist Fortpflanzung angesagt. Die Jungtiere kommen im Mai und Juni zur Welt, bleiben etwa einen Monat im kugeligen Moos- oder Grasnest. Auch danach leben sie meist noch eine ganze Weile bei der Mutter, wie Dr. Müller beobachten konnte. Er fängt die Tiere, um die Bestände zu überwachen, lässt sie dann aber wieder auf freien Fuss.

Wie Siebenschläfer nisten sich auch Gartenschläfer manchmal in Häuser ein, etwa in Jagdhütten, und verursachen Schäden. «Über alles gesehen, ist das aber nur ein sehr kleiner Teil», sagt der Biologe. «Ohnehin finde ich es schade, dass heute viele Kleintiere primär als Schädlinge angesehen werden, obwohl sie niemandem etwas tun und faszinierende Wesen mit komplexen Lebensweisen sind. Und zudem auch einfach herzig, gerade der Gartenschläfer ist die bunteste ‹Maus›, die wir hier in der Schweiz haben.»