Balzen im Lenz

Feldhasen sind meistens unauffällige Zeitgenossen. Im Frühling aber lassen sie es krachen.

Frühlingsmüdigkeit? Nicht doch! Die scheuen Feldhasen führen zwar fast das ganze Jahr über ein Leben in aller Heimlichkeit, doch im Lenz geht’s so richtig zur Sache!

Dann liefern sich die nachtaktiven Einzelgänger auch tagsüber rasante Hoppeleien über die Äcker: ein Haken nach rechts, gleich einer nach links. Ein zackiger Stopp mit Vorderpfotenboxkampf, bis die Fellfetzen fliegen. Ein Hinterlaufschlag an die Löffel – und schon geht’s in die nächste Runde.

Lange glaubten die Wissenschaftler, dass es sich bei der «März-Tollheit» um Rivalenkämpfe unter männlichen Hasen handelt. Doch dem ist nicht so. Vielmehr ist ein läufiges Weibchen die Chefin im Ring: Bei den Verfolgungsjagden unterzieht sie bis zu zehn Jungs einem intensiven Fitness-Test. Schliesslich braucht der Nachwuchs zum Überleben vor allem eines: flinke Beine.

Denn die 3 – 6 kg schweren Vegetarier haben mit Fuchs, Luchs, Uhu oder Habicht viele Feinde. Und nur zwei Verteidigungsstrategien: Erst ducken sie sich muckshäschenstill in ihre Sasse (Bodenmulde). Fliegt die Tarnung auf, wetzen sie mit bis zu 70 km/h los.

Feldhasen sind die schnellsten Läufer weit und breit – und dank strapazierfähigem Herzen und voluminöser Lunge ausdauernd. Kein Wunder, gibt der Feind meist rasch auf. Eine Verfolgungsjagd wäre eine viel zu grosse Energieverschwendung. Für seinen grössten Feind, den Menschen, war der Hase stets eine wichtige Energiequelle: 1947 erlegten Schweizer Jäger rund 70 000 Stück. Keine andere Tierart hat je so hohe Abschusszahlen erreicht.

Verwertet wurde fast alles, wie schon der Zürcher Arzt und Naturforscher Conrad Gessner (1516–65) in seinem «Thierbuch» schreibt: «Der Has wirdt zum aller meisten von seines Fleisches wegen gefangen. Hasenfleisch ist gut denen so begehren dünn zu werden.» Der Hase wurde auch als Heilmittel eingesetzt: «Das Blut des Hasen warm angestrichen, vertreibt es alle Gebresten des Angesichts, als sind Furunkel oder Reudigkeit.» Oder als Haarwuchsmittel: «Der Hasenkopf zu Äschen gebrannt und mit Essig aufgestrichen, erfüllt das abgestossen Haar.»

Seit 50 Jahren macht dem Feldhasen vor allem der Schwund seines Lebensraumes zu schaffen: infolge Überbauungen, Zerstückelung der Reviere durch Strassen oder wegen Intensivierung der Landwirtschaft. Deshalb liess der Bund im Jahr 1991 Schutzzonen einrichten. Doch auch in diesen Zonen nahmen die Bestände erst nach neun Jahren wieder zu.