Aufgepäppelt in die Freiheit

Es passiert leider immer wieder, dass junge Rehe plötzlich alleine dastehen. Doch manchmal haben sie Glück im Unglück – und werden von der Wildstation Landshut gerettet. Die Stiftung im Kanton Bern gibt hilflosen Tieren eine zweite Chance.

Jöh, Bambi! Die jungen Rehe in der Wildstation Landshut in Utzenstorf BE möchte man am liebsten knuddeln. Aber das kommt nicht in Frage! Die Kitze werden aufgezogen und dann in die Natur entlassen – deshalb 
dürfen sie nicht auf Menschen 
geprägt sein. «Wir müssen sie 
einerseits mit der Flasche füttern, damit sie sich gesund entwickeln, den Kontakt aber andererseits sehr beschränken», sagt Tierärztin Dr. Ulrike Cyrus-Eulenberger, Betriebsleiterin der Stiftung. «Sie werden weder gestreichelt noch wird mit ihnen gesprochen. Verständigung gibt es durch Fiepen – wie es die Mutter tun würde. Wir versuchen, alle Tiere möglichst naturnah grosszuziehen.»

Allein letztes Jahr wurden 1786 Patienten in der Wildstation versorgt: Rehe, Igel, Steinadler, Uhus, Mauersegler und viele mehr – bis zu 120 verschiedene Arten. «Viele davon sind geschützt», erzählt Cyrus. «Wir helfen aber auch den anderen, aus einer moralischen Verpflichtung heraus. Wie eben etwa den Rehen.»

Derzeit leben sieben Rehe in der Wildstation. Sie alle waren im mutterlosen Zustand aufgefunden worden. Ein Zwillingspaar beispielsweise sei gerettet worden, bevor es von einer Mähmaschine erfasst wurde. Die Mutter traute sich danach nicht mehr zu ihren Jungen. Bei anderen wurde sie vielleicht über- oder angefahren. «Gerade bei Rehen können wir nur Jungtiere aufnehmen», erklärt Ulrike Cyrus. «Erwachsene Tiere sind so schreckhaft, dass sie bei 
einem Rettungsversuch an Herz-Kreislauf-Versagen – kurz: an einem Herzkasper – sterben würden. Da ist es fairer, wenn der Wildhüter sie erlöst.»

Die geretteten Jungtiere sind derzeit im grosszügigen Aussengehege der Station. Dort wächst dieselbe Nahrung wie in der Natur, sodass sie lernen, sich selbst zu versorgen. Im Herbst wird der gesamte «Reh-Kindergarten» gemeinsam in die Natur entlassen. Dann sind sie auf sich gestellt. «Wir können ihnen kein ewiges Leben garantieren», sagt Ulrike Cyrus. «Aber immerhin eine zweite Chance geben.»



Tag der offenen Tür

Am Samstag, 29.8., können Besucher ab 10 Uhr einen Blick hinter die Kulissen der Stiftung Wildstation Landshut werfen. Der Tag der offenen Tür steht unter dem Motto «Lebensräume». Denn auch Tiere, die in der Wildstation gepflegt wurden, haben in der Natur nur eine reelle Chance, wenn sie intakte Lebensräume vorfinden. Informa-tionen zur Stiftung: www.wildstation.ch