Auf leisen Pfoten durch die Schweiz

Sie sind diskret und zeigen sich den Menschen nur ganz selten: Rund 100 Luchse leben in unserem Land. Nicht gerade viele, aber wer weiss, vielleicht werden es ja noch mehr.

 
Man sieht sie nie, man hört sie nie, und doch sind sie da: Luchse. Auf leisen Pfoten schleichen die Raubkatzen durch unsere Wälder, und nur ganz selten bekommt sie ein Wanderer zu Gesicht. Sie leben im Verborgenen. Eigentlich schade, denn allein äusserlich sind es eindrückliche «Büsi». Mit einer Schulterhöhe von bis zu 60 Zentimetern, ihren Pinselohren und dem gefleckten Fell machen sie schon etwas her.

Doch auch wenn man sie nicht sieht und sie Begegnungen mit Menschen meiden, manchmal hinterlassen sie ihre Spuren – wie im Dezember, als im Thurgau ein Schaf von einem Luchs gerissen wurde. Auch deshalb gehen die Meinungen zu den Raub¬katzen auseinander. Die einen mögen sie, die anderen halten sie für überflüssig. Sicher ist, dass sie in der Schweiz zu Hause sind – auch wenn es einen kleinen Unterbruch gab. Anfang des letzten Jahrhunderts waren die Tiere in unserem Land ausgerottet. Wie Manuela von Arx von Kora (Koordinierte Forschungsprojekte zur Erhaltung und zum Management der Raubtiere in der Schweiz) erklärt, spielten dabei verschiedene Faktoren eine Rolle: «Die Bevölkerung nahm im 18. und 19. Jahrhundert stark zu. Da sie mehr Land brauchte, um Landwirtschaft betreiben zu können, wurde der Wald gerodet. Des Weiteren wurden die Huftiere stark bejagt, somit fehlte dem Luchs die Nahrung. Die Zunahme von Nutztieren brachte ihn vermehrt in Konflikt mit den Menschen, und er wurde deshalb auch gezielt verfolgt.»
 
Ab den 70er-Jahren wurden die Raubkatzen wieder angesiedelt. Heute leben rund 80 Luchse im Alpenraum, vorwiegend von den Nordwest- bis in die Zentralalpen, und etwa 20 bis 30 weitere im Jura. «Die Bestandeszahlen sind einigermassen stabil, das Verbreitungsgebiet hat sich in den letzten zehn Jahren aber ein wenig Richtung Osten aus¬gedehnt», sagt Manuela von Arx. Längerfristig sei das Ziel, dass sich die Luchse im gesamten Alpenbogen ansiedeln, sodass sich die verschiedenen Populationen miteinander vermischen können und die genetische Vielfalt dadurch grösser wird.

Die Widerstände gegen die Verbreitung der Luchse seien zwar kleiner als bei Bär oder Wolf, da sie verhältnismässig wenig Schäden anrichten, dennoch gibt es hin und wieder Vorbehalte vonseiten der Bauern und Jäger. Letztere befürchten, dass in gewissen Gebieten die Reh- und Gamsbestände zurückgehen könnten. In der revidierten Jagdverordnung soll deshalb fest-gehalten werden, dass Luchspopulationen reguliert werden dürfen, wenn sie die Wildbestände zu stark dezimieren. Manuela von Arx: «Wir verstehen solche Bedenken und sind an Lösungen interessiert. Um allen Bedürfnissen gerecht zu werden, wäre es aber wichtig, auch Massnahmen zu definieren, welche die Erhaltung des Luchses fördern.» Schliesslich sind die Raubkatzen wie jedes andere Wesen Teil des Ökosystems – und noch einmal sollen sie nicht mehr aus der Schweiz vertrieben werden.