Antilope der Alpen

Gämsen ge­hören in die Berge wie die ä-Pünktchen aufs a. Was aber ist das Geheimnis ­ihrer hohen Trittsicherheit?

Steil, steinig und lebensfeindlich präsentiert sich der Abhang aus der luftigen Höhe der Gondel. Doch da bewegt sich doch etwas! Und da hinten sind noch mehr unterwegs: Gämsen. Wo der Mensch schon mit blossem Blick einen Steinschlag auslösen würde, bewegen sich die Tiere behände von Fels zu Fels. Wie schaffen sie das?

Gämsen sind Kletterprofis mit eingebauter Alpin-Ausrüstung. Etwas vom Wichtigsten sind dabei ihre Hufe, eine Art Kombination aus Kletterschuh, Steigeisen und Schneeschuh. Ist die Gämse im glitschignassen Geröll unterwegs, schmiegen sich die gummiweichen Sohlen nahtlos an den Untergrund an.

Die extrem harten, vorstehenden Hufränder nutzen sich nur langsam ab und verleihen ihr auch im glitschigen Geröll perfekten Halt. Im Tiefschnee spreizt die Gämse dann ihre Zehen über 90 Grad auseinander und verhindert so tiefes Einsinken. Dieser «Schneeschuh» kommt zusammen mit den Afterklauen (zwei kleine zurückgebildete Zehen hinter den Hufen) als Bremshilfe in steilen Hängen zum Einsatz. Denn wer mit bis zu 50  km/h hangabwärts unterwegs ist und dabei auch vor zwei Meter hohen Absprüngen nicht zurückschreckt, muss vor allem eines können: stoppen.

Diese Leichtfüssigkeit im scheinbar unwegsamen Gelände beschrieb der Schweizer Naturforscher Friedrich von Tschudi (1820 – 1886) in seinem «Thierleben der Alpenwelt» enthusiatisch: «Mit dem Winde fliegen sie in herrlichen Sätzen über Kluft und Eis. Man muss sie selber gesehen haben, um sich einen Begriff von ihrer wunderbaren Schnelligkeit, von ihrer staunenswerthen Schnellkraft und von der unbegreiflichen Sicherheit ihrer Sprünge machen zu können. Die einzige Antilope Europas verleiht unseren Hochgebirgen hohen Reiz.»

Und das bis heute: In der Gondel blieb kein Handy ohne Gamsfoto!