Tierischer Krankenpfleger

Sie haben nicht nur auf Menschen ­einen beruhigenden Effekt, Tiere können sich auch gegenseitig Trost spenden. Eine US-Tierklinik wusste dies zum Vorteil aller Beteiligten einzusetzen.

Dass Tiere Menschen in schwierigen physischen und psychischen Situationen helfen können, ist bekannt. Sie werden je länger, je mehr in Schulen, Kliniken, Heimen, Alterszentren eingesetzt. Zum Trösten, Entspannen oder einfach zum Freudebereiten.

Diese Auswirkungen haben sie offenbar auch auf ihresgleichen. Das zeigt die Geschichte von Kater Ron. Er ist als Krankenpfleger in einer Tierklinik in Denver (USA) «angestellt». Seine Medizin sind Zuneigung und Schmusen.

Ganz dicht schmiegt Ron sich an den Hunderücken, schnurrt behaglich und massiert mit leicht tretenden Pfoten den Nacken des Patienten auf dem Operationstisch – bis die Narkose wirkt. Aus Bellos gestresstem Hecheln wird ein ruhiges Atmen, die Augen sind geschlossen, der Körper entspannt.

Ron landete selbst als Pflegefall in dem Tierspital. Gemeinsam mit all seinen Geschwistern. Sie waren der Wurf einer heimatlosen Streunerkatze, vollkommen verlaust und abgemagert. Nach Gesundheitscheck, Impfen und ein paar Wochen Aufpäppeln sollten sie von hier in gute Hände vermittelt werden.

Schon damals zeigte sich, dass der rote Kater besonders mitfühlend war: «Wir hatten beobachtet, dass Ron, der sich von Anfang an rührend um seine Geschwister kümmerte, lebhaftes Interesse an unseren anderen Patienten zeigte. So wagten wir ein Experiment», sagt Jen Weston, Leiterin der Tierklinik. Katerchen Ron und seine herzliche Zuneigung erwiesen sich bald als hilfreich, wenn er Patienten vor der Narkose, während dem Eingriff und beim Aufwachen mit seiner Wärme, seinem Schnurren und Schmusen besänftigte.

So hatte der einstige Patient schnell einen Job als geschätzter Krankenpfleger-Kollege in der Tierklinik. «Ich weiss nicht, wie Rons Verhalten zu erklären ist», sagt Jen. «Aber ich denke, dass gerade die roten Kater dazu neigen, einen ganz besonderen Charakter zu entwickeln.»

Rons Talente werden gezielt eingesetzt. «Einmal hatten wir eine sehr aggressive Katze hier. Der Besitzer hatte uns gewarnt, dass sie bei Tierärzten immer Probleme mache. Ron aber ging schnurstracks auf sie zu, und sie wurden sofort Freunde. Von da an war diese Katze super einfach zu behandeln», erzählt Jen begeistert.

Für Ron schien es das Natürlichste der Welt zu sein, sich plötzlich an Hunde zu schmiegen, die fünf Mal so gross waren wie er selbst. Seine Anwesenheit beruhigte die anderen Tiere. Auch solche, die sonst zittern und heulen – im schlimmsten Fall aggressiv reagieren.

Mittlerweile ist Ron acht Monate alt und wurde als Letzter aus seinem Wurf in ein liebevolles Zuhause abgegeben. Doch die Tierklinik vermisst ihren wertvollen Mitarbeiter. «Wir haben in den letzten Jahren so viele Katzen hier gehabt, aber Ron hat uns einfach alle verzaubert», sagt Jen wehmütig. Es gibt jedoch eine Abmachung mit Rons Familie: «Immer wenn sie verreisen, überlassen sie ihn uns.» Damit kommen Jens Patienten nach wie vor in den Genuss von Rons Schmuseeinheiten und Zuneigung.