In Ecuador lebt der grösste Greifvogel der Welt

Ich wette, würde es sich um ein herzig-kuschlig-schönes Tierchen à la Panda-Bär handeln, hätten wir das alle längst mitbekommen. Doch mit seinen gewaltigen Schwingen und seinem geierartigen Aussehen gewinnt der Storchenvogel leider keinen Beauty-Contest. 

Dass es so schlimm um das ecuadorianische Wappentier steht – momentan sind bloss noch um die 150 im ganzen Land registriert – realisierte ich letzten November während meines Besuches der Hazienda Zuleta. Erwähnt man den Namen dieses Gutshofes und Landhotels wissen alle Einheimischen sofort, wo man sich einquartiert hat: nämlich im Ex-Haus zweier Staatspräsidenten im Norden Ecuadors mitten in den Anden an der Grenze zu Kolumbien. Leonidas Plaza Gutiérrez (1865-1935) war zwei Mal Präsident Ecuadors, sein Sohn Galo Plaza Lasso (1906-1987) ein Mal. Vor allem Galo Plaza Lasso ist bei den Ecuadorianern sehr beliebt. Er hat zum Beispiel den Indigenen ihr Land zurückgegeben, die Leibeigenschaft aufgehoben und Ecuador in den 1950er Jahren durch die Förderung und Weiterentwicklung der Landwirtschaft zu wirtschaftlichem Aufschwung verholfen.

Auf die Initiative von Galo Plaza Lasso geht auch das Condor Huasi Project zurück. Es liegt nicht unweit der Hazienda Zuleta in einem sattgrünen, steil ansteigenden Tal. Dort kümmert sich Yann Potaufeu um vier in Gefangenschaft lebende Tiere. Es sind allesamt verwundete Tiere: entweder haben Bauern oder Siedler sie mit Schrottflinten angeschossen oder die Vögel assen von vergifteten Tieren. Es ist in Ecuador eine gängige Methode, durch Gift Hunde loszuwerden, was für den Kondor verhängnisvoll ist. Denn der Kondor ist ein Aasfresser und erfüllt in der Natur eine wichtige Rolle als «Reinigungspersonal» und «Gesundheitspolizist»: isst er schwache und verletzte Tiere, können sich Krankheiten nicht ausbreiten, doch das scheint in Vergessenheit geraten zu sein. Die Mehrheit der Südamerikaner glaubt, dass der Andenkondor mit seinen starken Greifkrallen Schafe, Kälber, ja sogar Babys und hübsche Mädchen fängt und tötet. Dabei benutzt der König der Anden seine Krallen bloss zum Festhalten toter Tiere. 

Durch Umwelterziehung versucht das Condor Huasi Project seit 1995 die Bevölkerung aufzuklären, damit der Andenkondor nicht das Schicksal der Ausrottung droht. Dazu besucht der Biologe Yann Potaufeu (Bild)

Schulen und Dörfer und ist regelmässig in der Kondor-Aufzucht-Station anzutreffen. Dort hat man jeden Vormittag die Chance, wilde Kondore zu erleben, die ihre zur Fortpflanzung und zum Aufpäppeln gehaltenen Artgenossen fast immer besuchen. Auf meinem Foto seht ihr einen der in Gefangenschaft gehaltenen Kondore. Für mich war es das erst Mal, dass ich einen Kondor so nahe erleben durfte und es hat mich tief berührt. Die sanfte Ausstrahlung dieses Tieres ist mir echt eingefahren.

 

Ps. Den Besuch der Hazienda Zuleta sowie des Condor Huasi Project hat Brasa Reisen aus Zürich möglich gemacht. Der Südamerika-Spezialist organisierte meine Reise und hat mich im Vorfeld mit vielen wertvollen Tipps versorgt.