Im geheimnisvollen Kreis der prähistorischen Steine

Auf den Orkney-Inseln tauchen ­Geschichtsliebhaber in die faszinierende Welt der Jung­steinzeit ein. Neben ­prähistorischen Stätten wie dem Ring of Brodgar und Skara Brae ­findet man auf der schottischen Inselgruppe auch traditionelle ­Landwirtschaft.

Von Irene Lustenberger

Landschaftlich wähnt man sich in der Schweiz: viel Grün, Kühe, Schafe, Seen, Siloballen und Traktoren. Doch der ­Reisebus fährt nicht durch ein Schweizer Dorf, sondern über eine der schottischen Orkney-Inseln.

Nur wenige Autos sind unterwegs. Abgesehen von Kirkwall, dem Hauptort der Insel Mainland, gibt es kaum grössere Dörfer – ­meist sind es nur vereinzelte Häuser.

Mainland ist mit rund 520 Quadratkilometern die grösste der 70 Orkney-Inseln. Viele der Touristen kommen mit dem Kreuzfahrtschiff oder der Fähre an, es gibt aber auch Flugverbindungen ab diversen schottischen Städten.

Auf der Fahrt zum ersten Ziel bringt Reiseleiterin Pauline den Gästen die Orkneys näher. Ins­gesamt wohnen rund 22 500 auf dem Archipel, 17 500 davon auf der Hauptinsel und rund 9000 in Kirkwall. 20 der 70 Inseln sind bewohnt, auf 4 Inseln steht nur jeweils ein Haus. «Wie unschwer zu er­kennen ist, ist die Agrarwirtschaft die Haupteinnahmequelle», lächelt Pauline. «Während die Schafe mit ihrem dicken Fell auch im Winter draussen sind, gehen die Rinder von Oktober bis Mai in den Stall.  Weil es hier oft stark windet, sind die Häuser aus Stein.»

Unterwegs passiert die Reisegruppe auch Finstown, benannt nach dem Iren David Phin, der hier 1820 das erste Pub eröffnete.

Dann deutet Pauline auf einen kleinen Hügel. «Das nennt sich Maes Howe, es ist ein etwa 3100 vor  Christus errichtetes Hügelgrab und gehört zum Unesco-Weltkultur­erbe», erklärt sie. Ebenfalls zum Weltkulturerbe gehören Skara Brae und der Ring of Brodgar.

Der Ring of Brodgar ist ein um circa 2500 v. Chr. entstandener Steinkreis. Von den ursprünglich 60 Sandsteinen stehen noch 27.

«Mit einem Durchmesser von 104 Metern ist er grösser als das ­bekanntere Stonehenge in England», weiss Pauline. Wozu dieser Steinkreis diente, ist jedoch ein Mysterium: «Wahrscheinlich für Zeremonien.»

Auch die Siedlung Skara Brae stammt aus der Jungsteinzeit. Entdeckt wurde sie erst 1850, als ein Sturm Teile des Dorfs freilegte.

1920 begannen Wissenschaftler, dieses professionell auszugraben. Sie gehen davon aus, dass Skara Brae zwischen 3300 und 2500 v. Chr. rund 600 Jahre lang bewohnt war. Die Steinmauern und die Inneneinrichtung der Häuser – eine Feuerstelle, Betten und ein Regal – sind fast unversehrt ge­blieben.

Neun Häuser sehen ­praktisch identisch aus. Eines ist räumlich von den anderen Ge­bäuden getrennt und anders ­ausgestattet, weshalb man davon ausgeht, dass es eine Werkstatt war.

Unweit der Siedlung Skara Brae steht das teilweise auf einem Friedhof errichtete Skaill House. Von aussen wirkt es grau und kühl, im Innern beherbergt es jedoch Erinnerungen und Geschichten aus 400 Jahren. Nach der Hinrichtung von Patrick Stewart, dem zweiten Earl of Orkney, 1615, fielen die Ländereien dem Bischof George Graham zu.

Dieser errichtete dort ein schlichtes Herrenhaus, das 1977 in die Denkmalliste aufgenommen wurde und heute Besuchern offensteht. Dank der ausführlichen Beschreibungen in verschiedenen Sprachen erfährt man direkt in den Räumen alles Wichtige.

Nicht fehlen darf bei einer Schottland-Rundreise aber natürlich eine Whisky-Degustation. Es gibt gefühlt mehr Destillerien als Wohnhäuser. Na dann: Prost – oder auf Schottisch «Sláinte»!