
Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler (r.) sind nicht nur vor der «Tatort»-Kamera, sondern auch privat oft im Duo unterwegs.
Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler
Zwischen Krimi und Karaoke
Die Zürcher «Tatort»-Kommissarinnen feiern mit ihrem 10. Fall Jubiläum. Die Schauspielerinnen teilen ihre Erfahrungen, private Momente und zukünftige Projekte – denn ihre Freundschaft geht weit über die Dreharbeiten hinaus.
Von Aurelia Robles und Chiara Schmed
Zur Begrüssung gibt es eine Umarmung, vertraute Blicke und ein paar wenige Worte. Anna Pieri Zuercher (46) und Carol Schuler (38) sind noch etwas müde von den langen Dreharbeiten gestern. In wenigen Tagen kommt der 10. Fall der Zürcher «Tatort»-Kommissarinnen am Schweizer Fernsehen. Der Jubiläumstatort «Kammerflimmern» (Sonntag, 28. 9., 20.10 Uhr, SRF 1) dreht sich um Cyberattacken auf Herzimplantate.
Seit fünf Jahren schlüpfen die beiden Schauspielerinnen in die Rollen von Tessa Ott (Schuler) und Isabelle Grandjean (Pieri Zuercher). «Am Anfang hatten die beiden noch rechte Mauern um sich. Mittlerweile kann man bald von einer aufblühenden Freundschaft sprechen», berichtet Carol Schuler bezüglich der Entwicklung ihrer beiden Figuren. «Tessa ist immer selbstbewusster und sicherer geworden. Daher ist sie auch nicht mehr so explosiv wie zu Beginn.» Auch Anna Pieri Zuercher «lebt» mittlerweile ein halbes Jahrzehnt mit Isabelle, wie sie sagt. «Ich verstehe sie immer mehr. Ich liebe sie auch immer mehr.»
Rock ’n’ Roll und Karaoke
Sofortige Liebe war es hingegen zwischen Anna Pieri Zuercher und Carol Schuler. «Wir sind so harmonisch, es gibt keine Dis-kussionen, wir sind oft gleicher Meinung», sagt Schuler. «Du bist wie eine Schwester für mich», meint Pieri Zuercher.
Auf dem Set erkennen sie dann auch sofort die Stimmung der anderen, nicht selten sind sie an Drehtagen zehn bis zwölf Stunden zusammen. «Da wir uns für unseren Beruf öffnen müssen, sind wir auch in den Pausen automatisch wie ein offenes Buch», erklärt Carol Schuler. Oft verstehen die zwei sich aber ohne Worte. «Mir ist es einfach wichtig, dass Carol sich gut fühlt, und dafür tue ich, was ich kann», sagt Pieri Zuercher und blickt zu Schuler, die anfügt: «Du bringst mich vor allem oft zum Lachen.»
Genau Annas Humor sei es denn auch, den Carol Schuler auch in deren «Tatort»-Figur Isabelle Grandjean wiedererkenne. «Ich glaube, Isabelles Humor kommt sehr von Annas Humor. Dieser ist trocken und einfach zielgerichtet wie ein Maschinengewehr. Und natürlich sehr lustig.» Beide lachen – es scheint, als würden sie an etwas Bestimmtes denken. «Was ich wiederum von Carol in Tessa Ott sehe, ist diese Rock-’n’-Roll-Seite, beide sind freie Seelen und Freigeister. Ja, die Energie allgemein», sagt Pieri Zuercher.
Nicht nur die Schauspielerei verbindet die beiden TV-Ermittlerinnen. Anna Pieri Zuercher, deren Vater Berner und die Mutter Italienerin ist, schloss das Klavierstudium an der Hochschule der Künste Bern ab. Die Winterthurerin Carol Schuler, die schon mit fünf Jahren mit der Schauspielerei begann, ist auch als Sängerin bekannt und hat dieses Jahr die EP «Chaos & Closure» herausgebracht. Und so, erzählen die zwei, singen sie auch gemeinsam in der Maske. «Eine von uns beiden macht in der Maskenzeit immer Musik an», sagt Schuler. «Und wenn der neuste Fall jeweils abgedreht ist, veranstalten wir nach Drehschluss Karaoke.» Besonders beliebt sei der Song «The Show Must Go On» von Queen. Auch sang Schuler bereits in einer «Tatort»-Folge. «Jetzt warten wir nur darauf, dass auch Anna mal Klavier spielt.» – «Ich singe schon mit dir Karaoke, das reicht!»
Im Leben der anderen
Ihre Freundschaft geht weit über die Dreharbeiten hinaus. «Wir telefonieren und treffen uns auch privat. Dann reden wir über alles, ausser den ‹Tatort›», verrät Carol Schuler. Gemeinsam besuchten sie in den vergangenen Jahren Filmpremieren oder das Zurich Film Festival. Aktuell lebt Schuler nach 17 Jahren fix in Berlin wieder vermehrt auch in der Limmatstadt. «Immer wenn ich in Zürich bin, melde ich mich bei Carol, falls sie auch da ist», sagt Anna Pieri Zuercher, die in der Westschweiz lebt. Seit 2016 ist sie mit Kameramann Pietro Zuercher (49) verheiratet. Gemeinsam mit ihrer Familie und Labradorhündin Eijiroˉ , die auch eine kleine Rolle im Jubiläumstatort «Kammerflimmern» hat, lebt sie in Lausanne. «Ich bin sehr dankbar für mein Leben», sagt sie. «Aber im Vergleich zu Carol bin ich klar weniger frei. Zwar bewege ich mich auch an vielen verschiedenen Orten, aber bei mir braucht alles einfach mehr Organisation. Dafür will Carol meinen Hund!», erzählt sie lachend. «Ja, ich bin neidisch auf deinen Hund», gesteht Schuler. «Ich bin mit einem Hund aufgewachsen, aber mein Lebensstil ist nicht einfach mit dem ständigen Hin und Her. Es wäre nicht fair
für das Tier. »
Ereignisreicher Herbst
Bald ist bereits Fall Nummer 11 der beiden Zürcher Kommissarinnen im Kasten, der in einem Jahr ausgestrahlt wird. Dann ist nach Drehschluss wieder Karaoke angesagt. Für beide geht es im Herbst auf anderen Bühnen weiter. Anna Pieri Zuercher hat soeben die Serie «Uniformes» für das Westschweizer Fernsehen gedreht und geht ab Oktober mit einem Theater in Frankreich auf Tour. Ausserdem hat sie ihren ersten Kurzfilm «Cherubs» mit Gatte Pietro Zuercher co-realisiert, der nun seine Reise auf internationalen Festivals angetreten hat.
Carol Schuler wird im Film «Franz» über Schriftsteller Franz Kafka (1883–1924) als dessen Verlobte im Kino zu sehen sein. «Das erste Mal, dass ich wirklich eine echte historische Figur gespielt habe.» Und auch sie hat diesen Sommer die Serie «Das Manko» fürs ZDF abgedreht. Diese hat sie gemeinsam mit einem Kollektiv von Schauspielerinnen und Schauspielern geschrieben und entwickelt. Zudem spielte sie im Kurzfilm von Anna Pieri Zuercher mit. «In ihrem Langspielfilm, an dem Anna gerade arbeitet, will ich natürlich auch unbedingt eine Rolle spielen.»
Was die Entwicklung ihres Ermittlerduos Isabelle Grandjean und Tessa Ott für die nächsten fünf Jahre angeht, «hätten wir ganz viele Ideen», sagen sie. «Ein ‹Tatort› als Actionfilm oder Kammerspiel, das würde ich lieben», meint Anna Pieri Zuercher. «Oder ein Horror- oder ein Musical-‹Tatort›, das wäre toll», findet Carol Schuler. Jedenfalls bleibt es mit diesen beiden nicht nur bei den Kriminalfällen spannend.