Zurück ins Sägemehl – beinahe!

Im letzten Jahr hatte er noch grosse Pläne als Schwinger. Sein Körper aber machte nicht mehr mit. Der Publikumsliebling bleibt der Schwing-Gemeinde trotzdem erhalten: als Experte bei SRF.

Er kann kaum einen Schritt tun, ohne dass er angehalten wird. Für ein Autogramm, ein Selfie. Schwinger-Kollegen und Bekannte aus der Szene möchten «Hallo» sagen, ein paar Worte wechseln mit Matthias Sempach. Dem Schwingerkönig, der letztes Jahr seine sportliche Laufbahn aus Gesundheitsgründen abbrechen musste, fliegen die Herzen zu. Nie sagt er Nein, auch wenn er zum nächsten Termin muss – für Fans und Freunde hat er immer Zeit, lässt keinen spüren, dass er auf dem Sprung ist. Er bleibt die Ruhe selbst.

Nicht nur wegen seiner Beliebtheit fordert dieser Tag den 33-Jährigen: Er steht bei der 100. Ausgabe der Luzerner Kantonalschwinget als VIP-Betreuer im Einsatz. Während der Mittagspause zieht er für die Gäste Bilanz über den Vormittag, gibt eine Einschätzung für den weiteren Verlauf. «Eindrücklich» fand er Pirmin Reichmuth (23): «Bei dem sieht es aus, als ob er bloss ein Technik-Training machen würde.» Der Saal lacht. Auch Sven Schurtenberger (27) fiel ihm auf. Am Ende des Tages stehen sich diese beiden Athleten im Schlussgang gegenüber. Reichmuth gewinnt.

Eine gelungene Hauptprobe für «Mättu» Sempach, der ab dieser Saison Schwing-Experte bei SRF ist. Für den Emmentaler ist das die perfekte Fortsetzung seiner Karriere: «Für mich ist es eine Ehre, dass ich angefragt wurde. Ich denke, es hat damit zu tun, dass ich während meiner aktiven Zeit einen guten Kontakt und enge Zusammenarbeit mit SRF und den Medien allgemein hatte.» Sein zusätzlicher Trumpf: «Ich habe noch gegen alle die Spitzenschwinger von heute gekämpft, bin noch mitten in der Szene. Da kann ich viel Wissen weitergeben.»

Nach einem Probelauf in Zürich, bei dem er seinen neuen Job als Experte einmal durchspielen konnte, fühlt er sich bereit. Etwas bitter: Gerade er wird beim «Eidgenössischen Schwing- und Älplerfest» Ende August in Zug für SRF im Einsatz sein – statt im Sägemehl zu kämpfen. Letztes Jahr war es noch sein erklärtes Ziel, am «Eidgenössischen 2019» mitzuschwingen.

«Ich versuche immer, das Positive zu sehen», meint er zu der neuen Ausgangslage. «Klar wollte ich nach Zug. Aber es ging halt nicht mehr. Nun habe ich mit meinem Hof eine neue Aufgabe und Bereicherung. Ich geniesse die Zeit danach. Das heisst auch, dass ich am Abend daheim bei der Familie bin, statt zu trainieren.» Der Vater von Henry (4) und Paula (2) liebt die Arbeit als Bauer, so hat er seine Kinder immer um sich. Und seine Partnerin Heidi (37) auch.

Die Schwiegereltern packen mit an und machen es möglich, dass Mättu und Heidi ihre gemeinsame Leidenschaft ausleben können. Sie begleitet ihn ans «Luzernische». Während das Paar von der Tribüne das Geschehen beobachtet, packt Mättu ein Schneidebrett mit integriertem Messer aus. Er zerteilt damit ein Stück Bündnerfleisch, von dem er jedem um sich herum einen Happen abgibt. «Cool, oder?», findet er. «An welcher Grossveranstaltung schenkt man dir ein Messer mit einer solchen Klinge! Normalerweise würden die einem weggenommen.»

Das geht nur bei Schwingfesten, die nicht zuletzt wegen dieses friedlichen, fröhlichen Miteinanders in den letzten Jahren einen wahren Popularitätsschub erlebten. Sempach findet diese Entwicklung gut. «Es ist doch schön, dass Interesse da ist. Schwingen lebt von der Ehrenamtlichkeit. Es ist eindrücklich, was die an vorderster Front leisten.»

Auch er möchte dem Schweizer Traditionssport etwas zurückgeben. «Ich habe diese Leute und den Sport so gerne. Wir halten alle zusammen.» Auf irgendeine Weise möchte er mit der Schwinger-Familie so lange wie möglich verbunden bleiben.