«Zum Glück bin ich lockerer geworden»

Jubiläum! Seit zehn Jahren moderiert der Ostschweizer «Einstein». Immer noch voller Dankbarkeit und Leidenschaft – trotz Unsicherheiten und einem heimlichen Wunsch.

Da ist kein Schweisstropfen auszumachen, und das Lächeln kommt ihm immer noch locker von den Lippen. Tobias Müller (38) radelt auf dem Rennvelo die Buchenegg nahe seinem Wohnort Zürich hoch, als ging’s geradeaus. Erst als er auf Bitten der Fotografin die Passstrasse zum gefühlt zehnten Mal ein Stückchen runter und anschliessend wieder bergwärts fährt, kommt er ins Schnaufen. Ein bisschen. «Dafür haben wir hier doch eine mega Aussicht», sagt der sport- und naturbegeisterte Ostschweizer und blickt übers Albisgebiet und den Zürichsee. Früher habe er dem Rennvelo-Sport nichts abgewinnen können («Grind abe und dutzende Kilometer auf der Strasse fahren»). Heute sieht er es gänzlich anders: «Es ist wie Sightseeing auf zwei Rädern!»

Eine Erkenntnis, die der «Einstein»-Moderator seinem Job zu verdanken hat: Als er für die Dreharbeiten zur «Tour de Suisse»-Sendung Anfang Juni aufs Velo stieg, hat es ihn gepackt. Kürzlich habe er gar das Alpenbrevet gemacht: 108 Kilometer, drei Pässe, 3200 Höhenmeter. Fast sechs Stunden war er unterwegs. «Danach bin ich halb tot vom ­Sattel gefallen und habe mir geschworen, das Velo zu verkaufen», sagt er und lacht. «Und ich gab meinem Produzenten einen Korb für seinen Vorschlag, für ‹Einstein› zum Thema Sportwissenschaft mal die noch härtere Tour des Stations zu machen. Zwei Tage später fand ich die Idee  dann allerdings schon wieder reizvoll.»

Neues entdecken – genau das, was er an seiner Arbeit liebt. Seit einem Jahrzehnt: Kürzlich feierte er Jubiläum! Sein erstes «Einstein» habe sich regelrecht in sein Hirn gebrannt. «Jedes Mal, wenn ich das alte Signet höre, kommt die Erinnerung hoch. Eine sehr positive zwar, aber ich war ­wahnsinnig nervös! Und wenn ich die ersten Sendungen anschaue … meine Güte!», sagt er und lacht. «Zum Glück bin ich lockerer geworden. In zehn Jahren entwickelt man sich ja hoffentlich ein bisschen weiter. »

Weiterentwickeln? Gerne! Weiterziehen? Nein! «Vielleicht wird der Tag kommen. Aber derzeit kann ich mir keinen Job vorstellen, bei dem ich glücklicher sein könnte», sagt er. Verwunderlich ist seine Leidenschaft nicht: Man braucht sich nur mal seine abwechslungsreichen Einsätze anzuschauen. So kehrte er kurz vor dem GlücksPost-Treffen aus der Bretagne zurück, wo eine Sendung zum Thema Bionik entstand. Früher in diesem Jahr war er auf Island, erlebte die Faszination der Vulkane hautnah (Thema Geothermik), und ob der Lenk BE stieg er in den Plaine-Morte-Gletscher hinab (Wege des Schmelzwassers). «Diese Magie … Allein wenn ich dran denke, bekomme ich Gänsehaut», sagt er. «Das sind ‹Einstein›-Momente, die ich in den letzten zehn Jahren oft erleben durfte und für die ich sehr dankbar bin. Weil sie – und die ganze Sendung – mich als Mensch auch sehr geprägt haben. Ich habe in den letzten zehn Jahren mehr gelernt als in meinem ganzen Leben davor.»

Bei so viel Begeisterung – und dem SRF-Sparhammer: Hat er nicht Angst, dass «Einstein» einmal weggespart werden könnte? Immerhin ist das mit den längeren Spezialausgaben bereits passiert. «Gerade in den klassischen Medien ist das heute Alltag. Es wäre gelogen, wenn ich behaupten würde, dass gar keine Unsicherheiten da sind. Aber die Sparmassnahmen braucht es, da habe ich vollstes Verständnis. Umso wichtiger ist die Transformation zu einem multimedialen Unternehmen, um auch ein jüngeres Publikum zu erreichen. Und die ist bei SRF – und bei ‹Einstein› – im Gang, was ich extrem interessant finde.»

Tobias Müller studierte, wohl in weiser Voraussicht, einst Multimedia Production. Neuerdings sei er bei SRF auch «Digital Persona­lity», hat als solche die Aufgabe, die sozialen Medien intensiver zu bewirtschaften. So präsentiert er etwa mit Moderationskollegin ­Kathrin Hönegger (38) wöchentlich auf Instagram «Einstein²»: In kurzen, amüsanten Videos servieren sie dem Publikum kleine Wissens-Häppchen. «Ich liebe die Produktion dieses Online-Formats und denke, es ist ein guter Weg, um in den neuen Medien ein jüngeres Publikum für Wissen und Wissenschaft zu begeistern.»

Trotzdem: Gäbe es ausserhalb von «Einstein» gar keine Wunsch-Sendung, die er gerne moderieren würde? Müller: «Nein. Das Einzige, was vielleicht ein Wunsch wäre, ist eine Wissensshow – ein cooles Format mit Quiz und Gästen. So in der Art, wie es Eckart von Hirschhausen in Deutschland macht. Aber auch das nicht statt, sondern neben ‹Einstein›!»