«Zufriedenheit ist eine Kunst»

Mit der Sitcom «Mannezimmer» wurde er berühmt. Heute zieht der Schauspieler kleinere Bühnen vor. Er übt sich bewusst darin, glücklich zu sein mit dem, was er erreicht hat.

Bei ihm scheint stets die Sonne. Und das nicht nur auf seinem grosszügigen Süd­balkon: «Ich bin ein grenzenloser Optimist», sagt Philippe Roussel über sich. «Für mich ist das Glas immer halb voll.» Dank dieser Einstellung, ist der Schauspieler überzeugt, kann er auf eine erfolgreiche Karriere zurückblicken.

Der 59-Jährige hat die GlücksPost in seine Wohnung in Lengnau AG eingeladen. Das Schmuckstück, das er vor vier Jahren gekauft hat, zeugt von seiner Liebe für Schönes. Auffällig sind die vielen Buddha-Statuen. «Das ist meine erste», sagt er und deutet auf eine Büste. Er habe sie aus Bali. «Die Kultur und Menschen dort sind mir sehr nahe.»

Die Bilder in der Wohnung sind alle von seinem Bruder, Kunst­maler Marc Yves Huwiler (68). Von einem neueren Sammeltick zeugen die vielen Elch- und Hirsch-­Figuren. Angefangen hat es mit der stilisierten silbernen Jagdtrophäe über der Badewanne. «Ich wusste nicht, was ich da hinhängen soll, ein Bild wollte ich auf keinen Fall.» Sehr wichtig sind ihm auch frische Blumen: «Sie sind richtige Seelentröster. Diesen Luxus leiste ich mir.»

Philippe Roussel wohnt allein in der Dach-Maisonette-Wohnung. Sein Lebenspartner Adrian (54), ein Modeeinkäufer, wohnt in seinem eigenen Daheim. Das soll sich auch nicht ändern: «Ich bin froh, wenn ich nach einem hektischen Tag zu Hause meine Ruhe habe.» Zudem halte das Getrenntleben die Beziehung frisch: «Wir müs­sen nicht über Alltagskram debattieren, keine Kompromisse eingehen. Und wir freuen uns auch nach vier Jahren noch aufeinander und geniessen die gemeinsame Zeit besonders.» Etwa in den Ferien in Roussels «Magic House» im Piemont. Für ihn ein Kraftort: «Da sind drei Hügel, und auf einem steht mein Haus, mitten im Niemandsland.» Er gehe oft dahin und komme jeweils «total relaxed» zurück.

Gelassenheit ist sein Grundlebensgefühl. Nicht einmal die Coronakrise, die freischaffende Künstler wie ihn besonders hart trifft, vermag es, das ansteckende Lachen aus seinem Gesicht zu fegen. Er hat sich zum Glück neben der Schauspielerei mehrere Standbeine aufgebaut: «Ich mache viel Werbung, das hält mich zurzeit über Wasser.» Seit sieben Jahren ist er unter an­derem die Stimme von Denner. Als Dozent an der «Speech Academy» gibt er seine Erfahrung weiter. Zudem erledigt er für Freischaffende die Abrechnungen, hilft bei Verhandlungen und macht Preisbe­ratungen.

Zu diesen Jobs kam er wie die Jungfrau zum Kind, wie er sagt. Das gilt auch für alle anderen En­­gagements. Am Anfang seiner Laufbahn, als er in Deutschland Theater spielte, habe er sich noch genötigt gefühlt, sich bei den Entscheidungsträgern der Szene vorzustellen, zu weibeln und Klinken zu putzen. «Da musste man um Termine betteln, das war entwür­digend. Irgendwann merkte ich, das tut meiner Seele nicht gut.» Er habe darauf vertraut, dass jemand «da oben» einen Plan für ihn habe, dem er folgen würde. «Ich spielte einfach Theater und siehe da: Die Anfragen kamen von selbst.»

Ein Highlight seiner Karriere war die SRF-Sitcom «Mannezimmer» (1997−2001), die Roussels Welt auf den Kopf stellte: «Der Hype um die Serie war absurd, überwältigend, manchmal erschreckend. Ein romantisches Diner im Restaurant – unmöglich.» Er bilde sich jedoch nicht ein, dass der Wirbel an ihm gelegen habe. «Das wäre gefährlich. Es lag am Medium Fernsehen, das halt sehr viele Menschen erreicht.» Nachdem er die Nebenwirkungen des Ruhms kennengelernt hatte, ist der Zürcher froh, heute «nicht mehr so bekannt zu sein. Das ist sehr angenehm. Ich hatte meine 20 Jahre am TV, was will ich mehr?»

Seit rund zehn Jahren teilt er sich seine Zeit auf zwischen dem Sommertheater Winterthur, bei dem er als Co-Direktor, Regisseur und Schauspieler mitwirkt. Im Winterhalbjahr ist er in den Produktionen von Erich Vock zu sehen. Das neue Stück «Vollkoffer» läuft ab 21. Januar 2021 im Bern­hard-­Theater Zürich (Infos und Tickets: www.bernhard-theater.ch). Das Sommer­theater musste im Coronajahr geschlossen bleiben. «Bei den aktuellen Auflagen ist es schlicht nicht möglich, wirtschaftlich zu arbeiten. Ich bin schon sehr erschüttert, welchen Stellenwert die Kultur in unserem Land hat. Wir sind nicht systemrelevant und stehen auf der Prioritätenliste offenbar weit unten.» Roussel zieht den Hut vor Kollege Vock, der seine Programme trotzdem durchzieht: «Das ist unmöglich kostendeckend. Er tut es aus Solidarität gegenüber den Zuschauern und uns Schauspielern trotzdem – einfach grossartig!»

Er habe in den vielen Jahren mehr erreicht, als er je erhofft und erwartet habe, resümiert Roussel. «Dafür bin ich dankbar.» Zufriedenheit sei eine Kunst, die er ganz bewusst praktiziere: «Ich medi­tiere und habe meine eigenen Mantras, mit denen ich mich positiv ‹programmiere›.» Er glaube nach wie vor, dass nicht klappe, was man um jeden Preis wolle. «Ein Beispiel: Ich habe schon mehrmals ver­geblich versucht, mit dem ­Rauchen aufzuhören. Nun hab ich es geschafft – einfach so, nach 47 Jahren.»

Es kommt, wie es kommen muss, ist Roussels Credo. «Dem Erfolg nachrennen kann zwar ein Motor sein. Glücklich wird man dabei jedoch nicht. Man muss etwas finden, was Spass macht, daran habe ich mich immer gehalten. Wenn du tust, wozu du bestimmt bist, kommt der Rest von ganz allein. Und das Leben ist viel entspannter.» Dafür ist er das beste Beispiel.